Schmeichelnd ins Neue Jahr mit Valeria Curti

Valeria Curti © Claude Hurni

Das populäre Vorbild aus Wien hat die Standards für Neujahrskonzerte gesetzt. Aber es gibt sie natürlich auch bei uns, zum Beispiel in Altdorf. Dort spielt Valeria Curti, eine junge Solistin, mit der Camerata Schweiz. Und ihr Instrument ist etwas Besonderes unter den Konzert-Instrumenten: Das Fagott.

Das Altdorfer Neujahrskonzert gibt sogar nur alle zwei Jahre. Veranstaltet wird es vom «Förderverein junger Musikerinnen und Musiker», hinter dem als Präsident der Urner Garagist Karl Baumann steckt. Und anders als fast überall sonst wird hier nicht das Walzer-Repertoire von Johann Strauss abgespult oder Operetten-Seligkeit von Lehár und Co. zelebriert. In Altdorf erhält ein junger Solist oder eine junge Solistin eine Plattform für ein Portraitkonzert, das über den normalen Solokonzert-Auftritt mit Orchester hinaus geht.

Dieses Jahr fiel die Wahl auf Valeria Curti. Sie ist 28 Jahre jung, wuchs als Kind italienischer Eltern in Brugg auf, unterrichtet an der Musikhochschule Bern, ist Solofagottistin im Musikkollegium Winterthur – und eben: sie spielt Fagott, ein Instrument, das im normalen Repertoire-Betrieb kaum je als Soloinstrument ans Rampenlicht treten darf. «Wir haben natürlich sehr viele wunderbare Solostellen in den Orchesterwerken, etwa bei Schostakowitsch oder Strawinsky», sagt Valeria Curti dazu. «Aber eine reine Solokarriere mit diesem Instrument anzustreben, wäre kaum möglich.»

Allein schon die Agenturen winken ab: Fagott lässt sich nicht verkaufen. Und wenn die Sinfonieorchester dann tatsächlich mal eines der wenigen klassischen Fagott-Konzerte aufs Programm setzen, dann erhalten in der Regel die Solofagottisten aus den eigenen Reihen die Gelegenheit zum raren Solo-Auftritt. Kommt dazu, dass das Repertoire auch nicht sehr breit ist. In der Barockzeit ist das Fagott noch gerne als Soloinstrument eingesetzt worden: «Allein von Vivaldi gibt es 39 Fagott-Konzerte», sagt Valeria Curti, «mehr als für jedes andere Instrument ausser der Geige».

Aber in der Klassik und Romantik vermochte das Fagott nur wenige Komponisten wie Mozart, Carl Maria von Weber oder Rossini zu Solokonzerten zu inspirieren. Das habe auch daran gelegen, dass das Instrument bis ins 20. Jahrhundert nur wenig weiter entwickelt worden sei, sagt Valeria Curti: «Für ein grosses romantisches Orchesterkonzert war das Instrument damals zu wenig strahlkräftig. Im 20. Jahrhundert aber hat man im Instrumentenbau auch beim Fagott grosse Fortschritte gemacht: Heutige Instrumente haben sehr viel Kraft, und man kann sich damit sehr gut durchsetzen gegen das Orchester.»

Valeria Curti spielt zwar neben ihrem modernen Instrument auch Barockfagott und ein historisches Fagott von 1893. Aber für ein Programm mit einem Sinfonieorchester, das auf modernen Instrumenten spielt, wählt auch sie das moderne Fagott, auch wenn das Repertoire aus dem 19. Jahrhundert stammt. Einen bunten Strauss hat sie für ihr Altdorfer Neujahrskonzert zusammen gestellt. Den Kern bildet eines der wenigen grossen Fagottkonzerte der Klassik, dasjenige von Johann Nepomuk Hummel. «Es ist das grösste und anspruchsvollste unter den klassischen Konzerten, grösser als diejenigen von Mozart oder Weber. Es ist technisch ziemlich anforderungsreich, aber hat auch viele gesangliche Passagen, was mir sehr gefällt.»

Traumberuf: Opernsängerin

Das Singen stand am Anfang der Musikbegeisterung von Valeria Curti: «Mein Traum war es eigentlich, Opernsängerin zu werden. Viele Menschen sagen, das Fagott entspreche der menschlichen Stimme unter den Instrumenten am meisten, und ich versuche mit dem Fagott auch immer zu singen. Es hat sehr viele Farben, die man zeigen kann. Das reizt mich sehr.» Mit sechs entdeckte sie das Fagott für sich, aber sie war noch zu jung für dieses Instrument. Erst lernte sie Cello, bis sie alt genug war für die Anforderungen des Doppelrohrblatts. Dann aber ging es rasch: Als Jungstudentin wurde sie bei Matthias Rácz in Zürich ausgebildet, später studierte sie dann unter anderem beim Fagott-Grossmeister Sergio Azzolini in Basel.

In ihrem Urner Neujahrsprogramm stellt sie dem Hummel-Konzert zwei unbekannte Werke für Fagott und Streicher zur Seite, die sie selber arrangiert hat. Einerseits eine Sonate von Philipp Friedrich Böddecker aus dem Frühbarock, ein Werk, das Curti als «festlich und schön» umschreibt, andererseits ein «Notturno sentimentale» des Italieners Antonio Torriani. «Er war Fagottist an der Mailänder Scala und ein Freund von Verdi. Er hat einige Stücke für Fagott und Klavier komponiert. Die Begleitung in seinem Notturno wirkt sehr orchestral, mit Tremoli zum Beispiel. Das hat mich bewogen, es für Fagott und Streichorchester zu arrangieren. Es ist sehr opernhaft und könnte eigentlich auch eine Tenorarie sein.»

Musik-Forscherin

Valeria Curti taucht gerne in Archive und Bibliotheken und forscht nach neuer Literatur für ihr Instrument: «Ich bin ständig auf der Suche nach unbekannten und vergessenen Werken für Fagott. Auch die Stücke von Torriani sind noch nicht editiert worden.» Und neben unbekannten Trouvaillen darf es durchaus auch ganz neue Musik sein: Bei der jungen Schweizer Komponistin Marylène Müller hat sie ein Werk in Auftrag gegeben, das sie im April in Boswil zur Uraufführung bringen wird.

Dort spielt sie mit ihrem Trio «Lusinea» – «lusingando» ist eine musikalische Vortragsanweisung und bedeutet «schmeicheld» – das mit einer wahrlich exquisiten Besetzung aufwartet: Flöte, Fagott und Harfe. Aber sogar für diese rare Instrumenten-Kombination hat die Forscherin Curti originale Werke gefunden, zum Beispiel bei der Genfer Komponistin Marguerite Roesgen-Champion. Auf dem Boswiler Programm steht auch eine Fagott-Sonate von Charles Gounod, die Valeria Curti wieder zum Leben erweckt: «Wenn man von einem bekannten Komponisten vergessene Werke für Fagott findet, ist das natürlich besonders toll und auch für das Publikum attraktiv.»

Reinmar Wagner

Konzerte mit Valeria Curti:

• Urner Neujahrskonzert mit der Camerata Schweiz unter Kevin Griffiths. Theater Uri, Altdorf, 1.1.2024, 17.00 Uhr.

• «Fagottify» mit dem Pianisten Seif El Din Sherif: Brugg, Rathaussaal, 20.1.2024, 19.30 Uhr, Bellmund, La Prairie, 28.1.2024, 17.00 Uhr, Winterthur, Langgasse 1, 4.2.2024, 17.00 Uhr.

• Meisterkonzert Boswil mit dem Trio Lusinea und dem Pianisten Gilad Katznelson: 14.4.2024, 17.00 Uhr.

http://www.valeriacurti.com



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