«Die Musik bewegt sich in tektonischen Klangschichtungen»
Kaspar Zehnder, wo liegen die grössten Herausforderungen bei der Umsetzung dieser Partitur?
Kaspar Zehnder: Die Musik von Fabian Müller repräsentiert den Berg und die Natur. Der Mensch wird von der Musik fast an den Rand gedrängt. Es gibt keine Gassenhauer oder Bergsteigerliedchen, sondern gewaltige Klangballungen, und wir müssen stark darauf achten, dass wir nicht einfach ständig laut sind, aber dabei auch niemals an Intensität verlieren.

Die Stärke der Oper liegt im Ausmalen der Konflikte zwischen den Figuren. Ist das eigentlich gar keine richtige Oper?
Kaspar Zehnder: Vieles ist tatsächlich sinfonisch gedacht. Es ist vielleicht ein sinfonisches Gedicht mit Gesang geworden. Es gibt zum Beispiel keine Ensemble-Szenen, und meistens folgen einem gesungenen Satz einer Figur instrumentale Passagen. Die Musik ist rhapsodisch oder episch, bewegt sich in tektonischen Klangschichtungen, die ein wenig an die Klangwelten von Olivier Messiaen oder den späten Strawinsky erinnern. Und – naturgemäss bei diesem Thema – sind die Frauen untervertreten. Es gibt zwar die weibliche Stimme eines Berggeistes und die kleine Partie der Liesl, der Schwester des einen Bergsteigers, in die sein Partner verliebt ist. Die Streicher sind bis zu vierfach geteilt, was zu sehr schönen Obertonfarben führt. Aber insgesamt beherrschen die tiefen Stimmen das Geschehen.
Wie behandelt Fabian Müller das Orchester?
Kaspar Zehnder: Auch da geben die tiefen Blasinstrumente deutlich den Ton an. Die Partitur ist für alle Orchestermusiker sehr anspruchsvoll. Manche Stellen sind fast unspielbar schnell, gerade gewisse Begleitfiguren in den Streichern. Aber solche Passagen sind eher als Effekte gedacht. Man muss den Fluss behalten und eher die grösseren Äste sehen als die Details dieser feinen Verästelungen. Obwohl die Geschichte sehr dramatisch ist, gibt es in Fabians Musik manche Passagen, in denen sich die Szenerie kaum verändert. Das wird auch zu einer grossen Herausforderung für die Regisseurin Barbara-David Brüesch, die Mittel finden muss, um solche Momente szenisch auszufüllen. Oder sich entscheiden kann, ob sie das Warten aushält und der Musik damit Raum gibt. Beim Bergsteigen muss man manchmal auch einfach warten, bis die Wolken sich verzogen haben.
Interview: Reinmar Wagner