«Die Sprache muss bereits Musik sein»
Tim Krohn, was war Ihre Motivation, dieses Berg-Abenteuer als Opernlibretto zu verfassen. Was hat Sie interessiert an diesem Stoff?
Tim Krohn: Was mich wirklich berührt hat, ist die fast antike Dimension der Tragödie. Zwei junge Wilde, rührende Burschen, am Berg treffen auf zwei Nazis der ersten Stunde. Im Tal hätten sie einander die Köpfe eingeschlagen. Am Berg gelten andere Gesetze. Und eben doch nicht. Erst glauben sie, gemeinsam haben sie die besten Chancen. Dann verletzt sich einer der Nazis, und die guten Jungs müssen sich entscheiden, ob sie allein weitergehen und die Nazis in den sicheren Tod entlassen, dafür mit der Schuld leben müssen, zwei Menschen am Berg im Stich gelassen zu haben. Oder ob sie bei ihnen bleiben im Bewusstsein, dass ihre Überlebenschancen minim sind. Gleichzeitig warten und bangen zuhause die Lieben. Aus einem solchen Dilemma gibt es keine Lösung.

Welche Sprache wählt man dafür?
Sollen wir Bergler hören, oder vielleicht eher Archetypen menschlicher Verhaltensweisen?
Tim Krohn: Bergler sind selten Bergsteiger. Diese hier sind Spitzensportler – so, wie Spitzensportler vor gut achtzig Jahren waren. Wilde Kerle, die sich ausprobieren, die einen. Ehrgeizige Nazis auf Rekordjagd die anderen.
Was tut man als Autor eines Opernlibrettos, um einem Komponisten Raum für musikalische Entwicklungen zu bieten?
Tim Krohn: Die Sprache muss bereits Musik sein. Es gab einzelne Begriffe, um die wir freundschaftlich gestritten haben, «ausgesetzter Seilzugsquergang» etwa. Darf sowas in einer Oper sein? Ich fand natürlich, ja, unbedingt, das ist die Dissonanz, die alles andere zum Klingen bringt. Fabian hätte anfangs gern dies und jenes geändert, aber ich habe ihn dazu angehalten, die Herausforderung zu suchen. Am Berg kannst du auch nicht mal eben einen überhängenden Felsen wegsprengen. Und jedes Wort hatte seinen Sinn. Tatsächlich haben wir gegenüber der ersten Reinfassung bis zuletzt rein gar nichts geändert.
Wie würden Sie das Verhältnis Librettist-Komponist in diesem konkreten Fall beschreiben?
Fabian hatte grosses Vertrauen in mich, was die Wortwahl und die Erzählform anging, ich hatte jedes Vertrauen in ihn als Komponisten. Es war eine sehr schöne, respektvolle Form von Vermählung.
Interview: Reinmar Wagner