Happy Birthday Mr. Rachmaninoff
Die Frühlings-Ausgabe des Lucerne Festivals musste auf den erkrankten Riccardo Chailly verzichten. Der Einspringer Ivan Fischer nutzte seine Chance mit Bravour. Und Yuja Wang gab den Musik-Clown.

Nein, kein April-Scherz: Die Musik-Clowns Igudesman & Joo gratulieren Rachmaninoff zum Geburtstag. Der russische Komponist ist tatsächlich am 1. April 1873 auf die Welt gekommen, vor exakt 150 Jahren also – jedenfalls wenn man statt des russischen den gregorianischen Kalender als Messlatte akzeptiert. Rachmaninoff hat in den Programmen der Klassik-Komiker aus England – mit russischen, respektive koreanischen Wurzeln – schon immer eine zentrale Rolle gespielt. Legendär ist ihr YouTube-Hit mit den Holzlatten, mit deren Hilfe sie Rachmaninoffs weitgespannte Akkorde anschlagen, die für normale Pianistenhände einfach nicht zu greifen sind: Rachmaninoff war nicht nur zwei Meter gross, er hatte auch Riesenpranken.
Natürlich brachten sie diese Nummer auch unter in ihrem Geburtstagsständchen. Wie auch andere ihrer Musik-Collagen auf Violine und Klavier quer durch die ernste und weniger ernste Musik, die mühelos in wenigen Sekunden von Brahms und Beethoven zu Marilyn Monroes «Happy Birthday» oder Gloria Gaynors «I will survive» und wieder zurück surfen. Vor allem brachte das Duo einen ganz besonderen Gast mit in ihr Luzerner 1. April-Konzert: Yuja Wang, die Starpianistin, inklusive ultrakurzem Kleidchen und umso längeren High Heels – seit Jahren ihre sorgsam gepflegten Markenzeichen.
Aber wenn man mit Joo schon einen einigermassen passablen Pianisten im Duett hat, dann räumt der auch für eine Yuja Wang natürlich nur ungern den Posten. Man hätte das ohne viel Aufwand noch deutlicher und vor allem früher im Programm ausspielen können. So reichte es für Yuja gerade für zwei grössere gemeinsame Clown-Nummern, ein sechshändiges – und einigermassen handgreifliches – Liebes-Terzett und eine Paraphrase, mit Yuja auf einem Spielzeug-Klavier. Natürlich durfte sie auch kurz mal aufblitzen lassen, wie virtuos sie Rachmaninoffs paraphrasierlustige pianistische Höchstschwierigkeiten meistert – auch mit ziemlich zierlichen Händen übrigens.
Neben Rachmaninoff stand Mendelssohn im Zentrum: Zwei Programme mit seinen ersten beiden Sinfonien hatte Riccardo Chailly für das Luzerner Frühlingsfestival vorgesehen gehabt. Das Festivalorchester mit seinen mittlerweile bestens bekannten Solisten war da, aber Chailly musste krankheitsbedingt absagen. In die Bresche sprangen mit Ivan Fischer und Andrés Orozko-Estrada zwei Debütanten, die Chaillys Programme übernahmen. Ivan Fischer dirigierte aus Taschenpartituren, verlor aber nie die Übersicht, sondern konnte mit einer Überraschung aufwarten: Die Sinfonie, die Mendelssohn mit 15 Jahren komponierte und die heute die Nummer 1 trägt – obwohl ihr 12 Streicher-Sinfonien vorangegangen sind – enthält an dritter Stelle ein Menuett. Ein hübsches Stück für einen 15-Jährigen, mit einem reizvollen Trio.
Aber für eine Aufführung in London ersetzte Mendelssohn diesen Satz mit dem Scherzo aus seinem Oktett, einem munter abschnurrenden Elfentanz, wie er seit seiner «Sommernachtstraum»-Musik zu einem seiner Markenzeichen geworden war. Und weil sich Ivan Fischer nicht für einen der beiden Sätze entscheiden mochte, spielte man halt beide hintereinander: Schlank und elegant das Menuett, quirlig, koboldhaft und gutgelaunt das Scherzo. Auch sonst wurde diese Sinfonie unter den Händen des Ungarn zu einem Mendelssohn-Fest: Rhythmisch pulsierend, mit tänzerischem Drive, agogisch immer wach und aufmerksam und klanglich stets überaus sensibel. In dieser Form präsentierte sich das Festivalorchester auch als perfekte Basis für Chopins zweites Klavierkonzert, das Rafał Blechacz mit unaufgeregter Attitüde, locker perlender Geläufigkeit und subtilen Anschlagsnuancen in bezwingender Vollendung spielte. Zugabe: eine verinnertlichte Fis-Moll-Mazurka op. 6/1.
Wagner
Ein Aschenputtel und ein Aquarell in Grautönen
Ein Brasilianer gewann die vierte Basel Composition Competition mit einer Hommage an das kürzeste Gedicht der Welt.

Manchmal gibt es noch Aschenputtel-Geschichten. Diesmal ist es kein verschupftes Waisenkind mit bösen Stiefschwestern, sondern männlich und heisst John Weeks. Aber davon später. Die Teilnahme an der Basel Composition Competition, dem Kompositionswettbewerb, der im Zweijahres-Turnus nun seit 2017 zum vierten Mal stattgefunden hat, ist absolut frei. Regeln gibt es nur bezüglich der Dauer des Orchesterstücks (zwischen 10 und 20 Minuten) und der Besetzung (keine Elektronik zum Beispiel oder eine gewisse Zurückhaltung beim Einsatz des Schlagwerks). Zudem darf das Stück noch nicht aufgeführt worden sein.
Die Jury, die dieses Jahr unter dem Vorsitz des Genfer Komponisten Michael Jarrell stand und mit weiteren bekannten Komponisten-Namen – Isabel Mundry, Toshio Hosokawa – sehr illuster besetzt war, kriegt die Partituren anonym vorgelegt. Sie weiss also nichts über Alter, Herkunft, Geschlecht oder Ausbildung ihrer Schöpfer. Aus über 200 Einsendungen musste sie zwölf Arbeiten auswählen, die von den drei grossen Basler Orchestern – Sinfonieorchester, Sinfonietta und Kammerorchester – in drei Konzerten vorgestellt wurden.
Wiederum aus diesen zwölf Kompositionen und dem nun zum ersten Mal wirklich erfassbaren klingenden Eindruck, den sie hinterliessen, kürte die Jury fünf Werke, die im Finalkonzert noch einmal gespielt wurden. Und eines dieser fünf stammte nun eben von John Weeks. Er hat Jahrgang 1949, lebt in London, studierte zwar mal Komposition am Royal College of Music, aber er hat nie als professioneller Musiker gearbeitet – sondern als Kommunalbeamter. Komponiert hat er nur in seiner Freizeit.
Das Ziel ist es, so der Initiant des Wettbewerbs, Christoph Müller, das Repertoire an neuer Musik für Orchester zu erweitern. Nach dem Anhören der fünf Final-Stücke darf man konstatieren, dass das sehr gut gelungen ist: Alle fünf hatten ihre ganz besonderen Stimmung, ihre eigenen Klanglichkeiten und gingen klug um mit den schier unerschöpflichen Möglichkeiten, die ein Sinfonieorchester an akustischen Ereignissen produzieren kann.
Am stärksten in Versuchung führen davon liess sich die junge Japanerin Nana Kamiyama, bei der für meine Ohren etwas gar viel Action ohne spür- oder hörbaren Bezug passierte, im Gegensatz zum Stück «Chamäleon» vom Koreaner Jinseok Choi, bei dem ebenfalls sehr viel los war, aber die Lust an klanglichen Reizen, und daran, einfach mal so richtig auf die Pauke zu hauen, fast schon zum inhaltlichen Hauptzweck wurden.
Diese beiden teilten sich schliesslich den dritten Preis des Wettbewerbs. Was bedeutet, dass von den fünf Final-Stücken nur eines nicht ausgezeichnet wurde, was wiederum ein wenig wie eine Degradierung wirken muss. Der Unglückliche Letzte war denn auch unser Hobby-Komponist aus London, dessen Stück «Jenseits» mit weich verschwimmenden Rhythmen und tonlosen Luftgeräuschen der Blasinstrumente arbeitet. Gewisse seiner Stilmittel mögen etwas abgegriffen sein, und während der Beginn mich wirklich überzeugt hat, wirkt das Ende, das laut Partitur – die dem interessierten Teil des Publikums am Finalkonzert zur Verfügung standen – im ganz Leisen und Unbestimmten verklingen soll, dann doch wohl etwas zu konkret.
Es war Michael Jarrell, dem Präsidenten der Jury, wichtig, zu betonen, dass es bei ihren Urteilen nicht um Trends, Schulen oder Modeströmungen gegangen sei. Beurteilt hätten sie jene Werke, die Form, Zeit und Inhalt am besten kombiniert hätten. Das trifft sicher zu auf den Japaner Masato Kimura: Sein Werk spielt sensibel mit dem Raum und mit den schattierten Klängen der Streichinstrumente. Ein Aquarell in Grautönen quasi, eine Spur zu lang geraten vielleicht für diese Grundidee, aber dennoch mein persönlicher Favorit.
Die Jury setzte es auf Platz zwei und erklärte «Lume» des Brasilianers Leonardo Silva zum Sieger: Eine klug gemachte, klanglich und formal suggestiv aufgebaute Komposition, die reizvoll mit dem Entstehen und Verschwinden jener Schwebungen spielt, die dann entstehen, wenn Klänge absichtlich leicht unrein intoniert werden. Giuseppe Ungarettis berühmtes minimalistisches Gedicht «Mattina» von 1917 ist Inspirationsquelle dafür: «M’illumino d’immenso». Ingeborg Bachmann übersetzte: «Ich erleuchte mich/Durch Unermessliches». Nun, 60’000 Franken sind nicht gerade unermesslich, aber ein durchaus stolzer Preis für die Siegerkrone.
Wagner
Das ganze Finalkonzert mit der Preisverleihung ist noch bis Ende Februar auf dem Youtube-Kanal der Competition abrufbar.
Zauberhafter Cello-Gesang
Mit Musik von Franck und Dvořák eröffnete Sol Gabetta am Donnerstag ihr «Solsberg»-Festival in der Stadtkirche Rheinfelden.

Wenn ein Klavier mit dabei ist, kann in der Kammermusik die Balance heikel werden. Gerade in einem Kirchenraum, wie der Stadtkirche in Rheinfelden, wo dieses Jahr das erste «Solsberg»-Konzert stattfand, sind die akustischen Verhältnisse oft tückisch. Jedenfalls war das Klavier sowohl in der Sonate von César Franck wie im f-Moll-Klaviertrio von Antonín Dvořák oft einen Tick zu laut. Nicht dass Benjamin Grosvenor ein unsensibler Tastendonnerer wäre, ganz im Gegenteil. Schon in der Überraschungs-Zugabe, die originellerweise am Beginn des Programms stand, im ersten Buch der «Iberia»-Klaviersuite von Isaac Albéniz, zeigte er sich solo ganz in seinem Element und modellierte die spanischen Motive mit viel Fingerspitzengefühl, tänzerischem Charme und grundiert von oft subtilen, impressionistisch anmutenden Klavierfarben.
Für die Franck-Sonate kam Sol Gabetta hinzu. Richtig, eigentlich ist das eine Geigensonate, aber schon zu Lebzeiten des Komponisten wurde das überaus gelungene Stück für fast alle erdenklichen Besetzungen bis hin zu Kontrabass, Saxophon oder sogar Tuba arrangiert. Die Version für Cello, die adelte Franck persönlich durch seine explizite Zustimmung. Das Cello brilliert natürlich etwas weniger mit strahlenden Höhen als die Geige, aber eigentlich sollte sich die Balance mit dem Klavier unproblematisch gestalten lassen. Vor allem aber, wenn er thematisches Material zu spielen hatte, drängte der britische Pianist die Cellistin akustisch an den Rand. Der eng geführte Kanon im Finale zum Beispiel sollte idealerweise eine Art Wettrennen in gleichberechtigter Dynamik sein, hier aber waren die Linien des Cellos in den tieferen Lagen eher zu erahnen als zu hören.
Das war natürlich kein Dauerzustand, auch Grosvenor bewies immer wieder Zurückhaltung. Sol Gabetta ihrerseits widerstand der Versuchung, ständig das Letzte an Intensität aus ihrem Instrument heraus zu holen. Stellenweise bot sie dem Klavier dezidiert Paroli, mit sattem Strich und energischer Geste. Andere Linien liess sie in fahlerem Licht leuchten, und zauberhaft schön gestaltete sie die Fantasia, mit zarten Klangfarben und überaus differenzierten Vibrato-Nuancen.
Mit dem Geiger Ilian Gârnetz kamen im Dvořák-Trio dann auch die strahlend hohen Geigentöne zu ihrem Recht. Mit viel Energie aus der Bogenhand und erstaunlich sparsamem Vibrato brachte der moldawische Geiger sie zum Leuchten und avancierte im lebendigen Austausch mit der Cellistin zu einem strahlkräftigen Partner und agogisch geschickten Kammermusik-Virtuosen. Das akustische Ungleichgewicht aber konnte auch in der Trio-Besetzung nicht immer zum Ausgleich gebracht werden. Vor allem in bewegteren Passagen spielte sich das Klavier immer wieder über Gebühr in den Vordergrund. In der Wiederholung dieses Programms am Samstag spielte übrigens dann der Geiger seine angestammte Franck-Sonate.
Bis am 3. Juli dauert Sol Gabettas Sonnenwende-Festival mit ihren Musiker-Freunden und -Freundinnen rund um ihren Lebensmittelpunkt in Olsberg noch. Es gibt im weiteren Programm zum Beispiel die Streichoktette von Mendelssohn und Enescu, französische Gipfelwerke des Kammermusikrepertoires von Franck und Chausson mit Ilya Gringolts und Bertrand Chamayou, einen Barock-Liederabend mit Lea Desandre und dem Lautenisten Thomas Dunford, ein Schaufenster für Talente – und die obligaten Sonnenblumen für die Künstler und die Damen im Publikum.
Reinmar Wagner
Solsberg Festival. Noch bis 3. Juli, http://www.solsberg.ch
Von Godzilla bis Harry Potter: Filmmusik ohne Bilder
Das neue Basel Film Music Festival lud den Komponisten und Oscar-Preisträger Alexandre Desplat zu einem Konzert mit dem Sinfonieorchester Basel.

Schade hat Joanne Rowling ihr Harry Potter-Epos nicht in acht oder neun Bänden erzählt. Dann hätten wir nämlich mit grosser Wahrscheinlichkeit eine oder zwei weitere Filmmusiken von Alexandre Desplat für Harry, Ron & Co. erhalten. Der französische Filmmusikkomponist, der seit «Girl with a Pearl Earring» auch in Hollywood als grosse Nummer gilt, erhielt 2010 den Auftrag für den letzten Teil der Harry Potter-Saga «The Deathly Hallows» und schuf mit «Obliviate» und «Lily’s Theme» Filmmusik-Ikonen, die sich als Hit-Songs längst verselbständigt haben.
Natürlich war diese Harry Potter-Musik prominent auch im Konzert vom Freitag vertreten, in dem Desplat einen weit gespannten Querschnitt durch sein Oeuvre präsentierte. Der 1961 geborene Franzose schrieb über 150 Soundtracks zu den unterschiedlichsten Filmthemen und mit den verschiedensten Regisseuren. «Syriana», «The Queen», «The Imitation Game», «The King’s Speech», «Little Women», «The Ghost Writer» sind nur eine kleine Auswahl aus seinem Palmarès, Nominationen zu Golden Globes, Grammys und Oscars sammelte er im Dutzend, und gewann jede dieser Trophäen auch zweimal.
Ein Superstar der Filmmusik also, den das neue Festival nach Basel holte. Aber ohne Starallüren: Wenn Alexandre Desplat dirigiert, wirkt er wie ein charmanter Gentleman, der höflich darum bittet, doch einfach das zu spielen, was seine Hände zeigen. Es wird sofort klar, dieser Dirigent macht keine Pultstar-Show für das Publikum, wie das die Kollegen oft nur zu gerne zelebrieren. Das hängt natürlich damit zusammen, dass Desplat seine Musik üblicherweise im Studio und ohne Publikum dirigiert. Da sind Präzision und Professionalität gefragt, keine Maestro-Mätzchen.
Ein bisschen farbiges Licht, sonst gibt es keine optische Unterstützung für dieses Filmmusik-Konzert. Man ist seiner Phantasie überlassen – oder den Erinnerungen an oft längst vergangene Kino-Abende. Tatsächlich hilft es enorm, wenn man Filmbilder aus dem Gedächtnis abrufen kann wie bei Jonathan Glazers umstrittenem Liebesdrama «Birth» mit Nicole Kidman oder «Shape of Water» von Guillermo del Toro, jener schaurig-schönen Liebesgeschichte zwischen einer unterprivilegierten Putzfrau und einer amphibischen Kreatur in den Katakomben eines Geheimlabors.
Nicht alles erschliesst sich so gut wie die dunkel dräuenden Bass-Linien für das «Godzilla»-Remake von 2014. Dazu kann man sich das Monster geradezu bildlich vorstellen. Wenn eher atmosphärische Klänge oder emotionale Stimmungen in den Partituren aufscheinen, ist die Musik dagegen eher schwierig nachzuvollziehen, wenn man den Film nicht kennt. Wunderbar hingegen funktioniert die Mandoline als Soloinstrument für «The Grand Budapest Hotel», eine jener beiden Filmmusiken, für die Desplat den Oscar erhielt. Die andere – «Shape of Water» – spielte er natürlich auch, grundiert vom Solo-Akkordeon diesmal.
Gerne gibt er dem Klavier einleitende Akkorde, noch lieber verwendet er die Flöte, das Instrument, das er einst gelernt und studiert hatte, bevor er sich der Komposition zuwandte. Für Emmanuel Pahud schrieb er sogar ein Flötenkonzert und bewies damit, dass er auch die Komposition von «abstrakter» Musik beherrscht. Den Mittelsatz dirigierte er auch in Basel. Debussys «Pelléas et Mélisande» stand ihm dabei hörbar vor den Ohren.
Eine Premiere brachte er als Zugabe mit, aus «The French Dispatch», der Journallisten-Hommage, die eben noch in den Kinos lief. Und ganz zum Abschied gab es das Thema aus «New Moon», dem zweiten Teil der «Twilight»-Saga, das vielleicht der grösste Ohrwurm ist, den Alexandre Desplat je komponiert hat. Das Publikum freute sich sichtlich, Desplat freute sich auch und filmte die Standing Ovation mit dem Handy, bevor er sich den Stapel mit seinen Partituren unter den Arm klemmte und deutlich machte, dass nach drei Stunden nun wirklich Schluss sein müsse.
Reinmar Wagner
Schweigende Sirenen, Jazz-Saxophon ohne Jazz
Der Ungar Peter Eötvös ist diese Saison Gastkomponist des Sinfonieorchesters Basel, das zwei brandneue Auftragswerke unter seiner Leitung spielte. Solist war der Saxophonist Marcus Weiss.

Singen sie nun, die Sirenen? Natürlich singen sie, die Fabelwesen aus der griechischen Antike, die die an ihrer Insel vorbeifahrenden Schiffer ins Verderben reissen. Deswegen hat Odysseus seinen Matrosen die Ohren mit Wachs verstopft und sich selbst am Mast festbinden lassen. Denn er wollte hören, was es auf sich habe mit diesem zauberhaften Gesang.
Und welcher Komponist würde diese Vorlage nicht nutzen wollen zur süssesten Musik, die ihm überhaupt einfallen kann. Aber nicht Peter Eötvös. Zwar klingt sein 2021 in Pécs uraufgeführtes Orchesterstück «Siren’s Song» zu Beginn tatsächlich sirenenhaft, aber eher nach jenem auf- und abschwellenden Grossstadt-Soundtrack, den wir aus Hollywood-Krimis kennen.
Der Rest ist Schweigen, jedenfalls, was die Sirenen betrifft. Denn Eötvös hat sich von einer Novelle Kafkas inspirieren lassen, wie er vor dem Konzert ausplauderte. Sein Stück sei tatsächlich im ganz altmodischen Sinn «Programmmusik», was er bisher noch nie verraten habe: Meer, Möwen, Wellen, dunkel dräuende Gefahr und beängstigende Unheimlichkeit. Aber kein Sirenengesang. Denn bei Kafka, da haben die Damen mit den Vogelbeinen Odysseus‘ Absicht durchschaut und nur so getan, als ob sie singen würden.
Was jetzt wiederum nicht dazu führt, dass Eötvös nur so tut als würde er komponieren. Im Gegenteil, eine solche intellektuelle Volte brächte der 1944 in Siebenbürgen geborene Vollblut-Musiker nicht übers Herz. Zwar komponierte er am Ende das «Schweigen», aber sonst schöpft er aus dem Vollen, verschenkt nichts von den Möglichkeiten, die ihm, dem gelernten Dirigenten, das grosse Orchester anbietet. Diese Musik ist illustrativ, unterhaltsam, kurzweilig und überaus gekonnt.
Noch eine Stufe kurzweiliger klingt das Saxophon-Konzert, das Eötvös für den in Basel lehrenden Virtuosen Marcus Weiss schrieb. Er habe sich schwer getan mit diesem Werk, das erst vor einem Monat beim WDR in Köln seine Premiere erlebte. Schwer getan, weil der das Instrument von seinem im Jazz verwurzelten Klang-Habitus habe lösen wollen. Und was passiert? Es klingt kein bisschen schwer, sondern überaus gut gelaunt, sprudelnd frisch, voller höchst virtuoser Show-Elemente für den Solisten, die Weiss auch mit viel Spiellust auskostete.
Und vor allem klingt es immer mal wieder so jazzig, wie ein Saxophon nur klingen kann: typische Melodiefloskeln, rhythmischer Groove, Big-Band-Sound. Aber auch rasende Tonleitern, irrwitzige Sprünge, perkussive Attacken beim Solisten, oder auch mal zartes Singen auf dem Sopran-Sax. Wie Ping-Pong-Bälle werfen sich Solist und Orchester die Einfälle zu, und beweisen, dass ganz neue Musik auch ganz vergnüglich sein kann.
Eötvös dirigierte seine Werke selber, und brachte auch ein rares Stück seines Lehrers Zoltán Kodály mit, die Suite aus der komischen Märchenoper «Háry János». Der Titelheld ist eine Art ungarischer Don Quichote und das Orchester ist noch einmal deutlich grösser, mit viel Schlagwerk, Celesta und Zymbal, der osteuropäischen Form des Hackbretts. Auch das überaus farbige und kurzweilige Musik, aber ein bisschen vergass der Dirigent bisweilen, dass sie auch feinere Töne zulassen würde, dass man mit den klanglich raffinierten Mischungen auch Atmosphäre erzeugen könnte. Dass diese Märchenfigur auch melancholische Züge hätte, war diesmal nicht zu hören, dafür wurde die Ironie, mit der Kodály den Wiener Kaiserhof zeichnete wahrhaftig zur schrillen Groteske.
Reinmar Wagner
Radio SRF Kultur sendet den Mitschnitt dieses Konzerts am 17. März um 20.00 Uhr.
Ein stiller Star
Maria João Pires und die Kunst des Subtilen. Die Grand Old Lady des Klaviers gab Basel die seltene Ehre eines ihrer Konzerte. Auf dem Programm: Schubert, Debussy und Beethovens letzte Klaviersonate.

Wie leise kann man Klavier spielen, ohne dass die Spannung abbricht? Maria João Pires erweckte im letzten Satz von Beethovens letzter Klaviersonate, den Eindruck, dass es keine Grenzen zu geben scheint: ein unendliches Decrescendo quasi, sowohl am Anfang wie am Ende dieses epischen Klavier-Monuments von fast 20 Minuten Dauer. Das Monumentale ins Innerlichste umzukehren, das ist eine der ganz grossen Stärken der 77jährigen portugiesischen Pianistin. Fast nie sucht sie Kraft und Stärke mit ausholenden Armen, ihr Anschlag kommt aus den Fingergelenken, und weil sie damit einen derart breiten Reichtum an Nuancen in die Tasten zaubert, vermisst man die Pianisten-Pranke nie.
Wenn man sagen würde, Maria João Pires vermeidet die Extreme, dann wäre das komplett falsch formuliert. Richtig ist: Weil sie sich in Mitte und Mass derart meisterhaft bewegt, werden die Extreme überflüssig, ja sie würden den Eindruck dieser Kunst des Subtilen nachhaltig zerstören. Wenn Maria João Pires spielt, erhält selbst Beethovens olympisches Spätwerk eine fast schon unwiderstehliche Natürlichkeit, fern jeder plakativen Demonstration.
Auch in Debussys «Suite bergamasque», die mit ihren barocken Formen und ihrer selbstbewussten Gestik manchen Pianisten zu burschikosen Prägnanz verführt, mischte Pires gleich von Anfang an die pastellenen Farben in ihr Spiel, so dass das poetische «Claire de Lune» quasi bruchlos in diese als schon impressionistisch wahrgenommene Stimmungen passte – und damit gleichermassen einen gewissen Zug und eine vorwärts gerichtete Energie mitbrachte, während die Kollegen in diesem berühmtesten Klavierstück von Debussy manchmal jedes Metrum aus den Augen verlieren.
Schon in den Anfang der A-Dur-Sonate D 644 von Schubert, die oft als frühlingshaft und munter empfunden wird, hatte sie einen Schatten von Melancholie hinein gelegt, der wunderbar zu dieser Musik passt, aber wenn die Kollegen dann die Kontraste suchen, bleibt auch die Dramatik bei Pires gemildert, quasi auf ein menschliches Mass herunter gebrochen, was gerade dem Kopfsatz von Beethovens Opus 111, der sehr oft existenzieller Ausbruch von titanischen Dimensionen gespielt wird, eine gewisse Nahbarkeit und damit auch die Möglichkeit emphatischer Teilnahme gibt.
Unnachahmlich, wie diese Pianistin es schafft, dass die Musik dabei doch nie kraftlos oder gezähmt klingt, aber doch bei aller c-Moll-Dramatik (5. Sinfonie) so menschlich, dass man diesen Herrn Beethoven doch zu fragen getrauen würde, warum seine letzte Sonate bloss aus zwei Sätzen besteht. Das nämlich tat schüchtern der etwas irritierte Verleger, der vermutete, das abschliessende Finale sei wohl beim Kopisten vergessen worden. Und Beethovens Diener Schindler erhielt auf dieselbe Frage – über die seither nicht nur die Pianisten, sondern auch etwa Theodor Adorno oder Thomas Mann sinnierten – bloss die missgelaunte Antwort: Er, Beethoven, habe keine Zeit dafür gehabt, darum habe er den zweiten Satz so lang gemacht.
Bei Maria João Pires jedenfalls, wenn sie versunken in die letzten C-Dur-Akkorde taucht, hat man keineswegs das Bedürfnis nach einem fröhlichen Allegro-Finale. Eine Zugabe gewährte sie dennoch: Nochmal Beethoven, das Adagio aus der Klaviersonate «Pathétique», ebenso subtil und verinnerlicht gespielt.
Reinmar Wagner
Virtuoses Schaulaufen für Hörner und andere Instrumente
Auch die Pandemie bremst Basels ambitionierte Haydn-Totale nicht aus: Die «Hornsignal»-Nacht mit Giovanni Antonini gibt’s als Stream.

Es ist immer wieder erstaunlich, welch kreativer Kopf er doch gewesen, dieser Joseph Haydn! Über hundert Sinfonien hat er komponiert, aber man kann daraus auswählen, welche man will, es findet sich immer irgendeine Besonderheit darin. Zum Beispiel die mit Dämpfer singenden Geigen und Oboen im Adagio-Satz der 48. Sinfonie oder der furiose Presto-Beginn der 59. Sinfonie, der mitgeholfen hat, den Beinamen «Feuer-Sinfonie» zu etablieren – und Antonini und die Musiker seines Ensembles «Il Giardino armonico» tun alles, dieses Etikett zu zementieren. Oder das selig wiegende Siciliano im Adagio der Sinfonie Nr. 31, das der Konzertmeister Stefano Barneschi mit einer hinreissenden Mischung aus Virtuosen-Attitüde und leicht hingetupfter Flüchtigkeit in den Saal zauberte, nicht minder delikat sekundiert vom Solocellisten Paolo Beschi. Oder der Schluss-Satz derselben Sinfonie, die als «Sinfonie mit dem Hornsignal» bekannt wurde, in dem sämtliche Instrumente angefangen bei Flöte, Geige und Cello bis hin zum Kontrabass ihren Solo-Auftritt erhalten – ein Schaulaufen natürlich für die virtuosen Musiker dieses renommierten Barock-Ensembles.
Im Mittelpunkt des Abends aber steht das Horn. Als Jagdhorn, wie man das kennt in der Barockmusik, aber auch mit verträumt-schwärmerischen Melodien oder gleich darauf mit den hellen, scharfen Fanfaren von Kriegstrompeten. Auch für das Horn hat Haydn enorm abwechslungsreich komponiert und damit den Spielern einen ganzen Strauss an kniffligen Aufgaben gestellt, die auf dem ventillosen Naturhorn auch an heutige Horn-Cracks höchste Ansprüche stellen. Das kann die vier Hornisten des «Giardino» aber nicht sonderlich aus der Ruhe bringen: absolut bewundernswert wie sie die Herausforderungen meistern!
Es zeichnet dieses Ensemble aus, dass hier die absolut perfekte Beherrschung der historischen Instrumente einhergeht mit einer Homogenität des Ausdrucks und der Klangfarben, die ihresgleichen suchen. 1985 schon hat Giovanni Antonini diesen «Harmonischen Garten» zu beackern begonnen und seither zu einer weltweit gefeierten Konstante orchestraler Originalklang-Kompetenz geformt. Dazu kommt die überaus lebendige Rhetorik, die Antonini jedem Takt von Haydns Sinfonien abzugewinnen versteht: Dramatische Akzente, funkensprühende Energie, weich schmeichelnde Wärme, und immer wieder die Kraft eines spannungsvollen Pianissimo wechseln im Sekundentakt.
2032 feiert die Musikwelt Haydns 300. Geburtstag. Bis dann wollen Antonini und die Basler Haydn-Stiftung, hinter der Christoph Müller und das Kammerorchester Basel stehen, sämtliche 107 Sinfonien Joseph Haydns einspielen. Neun CDs sind beim Label Alpha bereits erschienen. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille zum Konzept gehören genauso die Live-Konzert-Erlebnisse in Basel, Wien und Rom, die Haydn in sein musikalisches Umfeld aber auch in die Kunst von heute, in Fotographie und Literatur, einbetten.
Ein weiteres Haydn-Programm aus Basel wird ab 8. Mai auf der Seite des ungarischen Bartok-Festivals (www.bartoktavasz.hu) abrufbar sein. Diesmal spielt das Kammerorchester Basel unter der Leitung von René Jacobs das «Stabat Mater». Das hochkarätig besetzte Solistenensemble bilden Sophie Karthäuser, Sophie Harmsen, Steve Davislim und Arttu Kataja.
Reinmar Wagner
Das «Hornsignal»-Konzert ist auf der Plattform Idagio bis 17. Juli 2021 zum Preis von EUR 10.- abrufbar.
Tanzende Muskeln, zerfliessende Formen
Zur aktuellen Ausstellung «Rodin / Arp» in der Fondation Beyeler haben Musiker des Sinfonieorchesters Basel passende Klassik aufgeführt. Das Ergebnis ist als Video zu sehen.

Ein einsamer Cellist zwischen zwei ikonenhaften Kunstwerken: Rodins «Denker» und eine der «Ptolemäus»-Versionen von Hans Arp. Man braucht keine Musik zu hören, um die Sinnfälligkeit dieses Bildes zu erfassen. Lässt sich dieser Denker vielleicht vom engagierten Cellospiel aus seinen tiefen Gedanken aufwecken? Oder hört er möglicherweise sogar zu, in voller Konzentration? Der Cellist allerdings kehrt ihm den Rücken zu, spielt für die andere Seite, die seinen Klängen gegenüber weit aufgeschlossener scheint. Viel Fantasie braucht es nicht, sich unter der Skulptur von Hans Arp ein Ohr vorzustellen – jedenfalls aus dieser Bildperspektive. Auch wenn sie anders heisst, «Ptolemäus III», und mit der Hinwendung auf den antiken Mathematiker und Astronomen eines der berühmtesten Themen des deutsch-französischen Künstlers variiert.
Der Cellist ist Christopher Jepson, stellvertretender Solocellist des Sinfonieorchesters Basel. Er spielt hier ganz allein eine Allemande von Bach. Ein sanfter Tanz, der wunderbar passt zu den stets organisch fliessenden Formen des Elsässers Hans Arp, die in der Bewegung des Betrachtenden selbst scheinbar in Bewegung zu kommen scheinen unter diesen sanft fliessenden Celloklängen. Aber ebenso zärtlich fährt die Kamera dazu dem sehnig-muskulösen Körper von Rodins Denkers entlang, der wie ein Athlet gebaut ist – ein Boxer stand Rodin Modell für seine vielleicht ikonenhafteste Skulptur – und kontrastiert damit die urtümliche männliche Kraft dieser mächtigen Gestalt.
Die Initiative zu «Sound of Sculpture», dieser Verbindung von klassischer Musik und bildhauerischen Formen kam vom Sinfonieorchester. Nach wie vor darf man zwar proben, aufnehmen und Videos produzieren, aber der Auftritt vor Publikum ist noch immer nicht möglich. Die innovative Verbindung von Kunst, Musik und Film ist zwar spannend und bereichernd, aber ein Ersatz für die Spannung eines Live-Konzerts kann es niemals sein, wie Hans-Georg Hofmann, der künstlerische Direktor des Orchesters, betont. Und auch für die subtilen Finessen im Gesamtklang eines Sinfonieorchesters sind solche Fingerübungen nicht mehr als eine nette Ablenkung, zumal der Klangkörper nie als Ganzes in Erscheinung tritt.
Mehr als drei Musikerinnen und Musiker sind es nie, die sich in den Räumen der Fondation den Skulpturen gegenüber stellen. Man lässt sich Raum, gegenseitig, und auch die Kamera freut sich zwar gerne an den Details der Feinarbeiten in bronzenen Muskelsträngen oder den Fingern virtuos spielender Musiker, aber sie lässt wie Alles in diesem Film die Assoziationen frei fliessen. Schön zum Beispiel, dass die «Danse macabre» von Saint-Saëns, jener schrille Totentanz für Violine und grosses Orchester, nicht einfach die «Höllentor»-Thematik illustriert, an der Rodin praktisch sein ganzes Leben lang arbeitete. Sondern sich in einem ziemlich schrägen Arrangement für Klarinette, Gege, Cello und Klavier um eine von Arps «Daphne»-Variationen gruppiert, jene antike Nymphe, die ihre unspektakuläre Unsterblichkeit, fliehend vor den Nachstellungen Apollons, ihrer Verwandlung in einen Lorbeerbaum verdankt.
Die Symbiose von menschlichen und pflanzlichen Strukturen ist eines der Hauptthemen im Werk von Hans Arp. Sein harmonisch ausgewogener, eher statischer «Torso mit Knospen» etwa erhält wirblige Begleitung von einem munter-verspielten, höchst virtuosen Ausschnitt aus Villa-Lobos‘ «Bachianas brasileiras» für Flöte und Fagott. So sind Hofmann und die beteiligten Orchestermusiker der Versuchung elegant ausgewichen, einfach Kunst mit Musik zu garnieren. Vielmehr haben sie Stimmungen, Emotionen und Assoziationen aufgegriffen und mit ihren Mitteln aufgenommen, verdichtet oder durchaus auch mit ironischem Blick kommentiert, gerade so wie Hans Arp Rodins «Kuss», der in der monumentalen Gestalt des Dante-Liebespaars Paolo und Francesca zuerst für das «Höllentor» konzipiert wurde, heruntergebrochen hat auf ein niedliches Holz-Relief im Dada-Stil.
Man suchte generell nicht die offensichtlichen Gemeinsamkeiten, sondern den Ausdruck, die Geste, die Stimmung. Von der «Verbindung von Sinnesreizen» und spricht Raphael Bouvier, der Kurator der Ausstellung im Beyeler Museum. Man hat eher die Zeitlosigkeit und Allgemeingültigkeit angestrebt, die sich natürlich in so qualitativ hochstehenden Kunstwerken immer findet. Und man hat sie gespiegelt in der ebenso zeitlosen Allgemeingültigkeit der Musik von Bach oder Britten oder dem «Lament» für zwei Bratschen von Frank Bridge das Hofmann ausgerechnet Rodins «Kuss» unterlegte. Ein Klagelied also für die zeitlos-versunkene Intimität dieser Szene? «In einer Zeit, in der man sich nicht berühren darf, hatte das für mich eine ganz besondere Spannung» sagt Hofmann dazu.
Abstraktion und Dekonstruktion sind als Formprinzipien zentral für Hans Arp, aber auch das Ironisch-Verspielte bis hin zum Surrealen, Zufälligen und scheinbar Sinnlosen, das Arp in seiner Dada-Zeit im Zürcher «Cabaret Voltaire» auslebte. Das wird in der Ausstellung natürlich thematisiert, ebenso wie die Tendenzen zu Abstraktion und Dekonstruktion im Werk von Rodin. In der Auswahl der Musikstücke des Sinfonieorchesters bleiben sie hingegen ausgespart, wo sie doch als Formprinzipien in der Musik des 20. Jahrhunderts eine zentrale Rolle gespielt haben. Mag sein, dass man gespürt hat, dass solche engen Verdoppelungen zu offensichtlich oder zu unsinnlich gewesen wären.
Dafür gibt es sogar eine Uraufführung: Eine Art «Promenades» wie in den berühmten «Bildern einer Ausstellung» von Mussorgsky hat man zwischen die Episoden gestellt. Komponiert hat sie Domenico Melchiorre der Solopaukist des Sinfonieorchesters, der sehr gerne experimentiert mit den vielfältigen Farben der Perkussionsinstrumente. Für diese Gelegenheit hat er seine Schlagwerker-Kollegen zu eher feinen und geheimnisvollen Klängen aufgeboten und selbst zu einem Instrument gegriffen, dessen kryptischer Name allein schon aufhorchen lässt: «Bassdesmophone». Eine Art zweisaitiges Cello auf einem dreieckigen, tischgrossen Metallkorpus, der seine ganz eigenen Resonanzen entwickelt. Melchiorre spielt es selber – kein Wunder, der Instrumenten-Tüftler hat das Ding auch erfunden. Die Kamera allerdings war leider bei diesen Aufnahmen nicht dabei.
Reinmar Wagner
Das 30minütige Video «Sound of Sculpure» ist auf den Webseiten des Sinfonieorchesters und der Fondation Beyeler frei abrufbar.
Die spannungsgeladene Körperlichkeit Rodins und die biomorphen Formen in der Kunst von Hans Arp inspirieren in der Fondation Beyeler nicht nur klassische Musik, sondern auch die körpernächste Kunstform, den Tanz. Die belgische Choreographin Anne Teresa De Keersmaeker – eine der prägendsten Künstlerinnen im modernen Tanz – hat zu dieser Ausstellung eine Performance kreiert, die vom 18.-28. März gezeigt wird.
Die Ausstellung «Rodin / Arp» ist noch bis zum 16. Mai 2021 zu sehen. Seit dem 1. März ist das Museum geöffnet. Wegen der beschränkten Anzahl zugelassener Besucher wurden Zeit-Slots eingeführt, und es wird empfohlen, die Tickets online zu buchen.
Elastisch und beseelt
Die Reiseregeln in Pandemie-Zeiten ermöglichten das kurzfristig arrangierte Debüt der litauischen Dirigentin Mirga Gražinyté-Tyla beim Sinfonieorchester Basel.

Der britische Dirigent Mark Elder war für dieses Datum eigentlich vorgesehen gewesen. Aber er konnte der neuen Corona-Regeln wegen Engand nicht verlassen. Mirga Gražinyté-Tyla ist zwar seit 2016 Chefdirigentin des City of Birmingham Symphony Orchestra, das einst von Simon Rattle zu Weltruhm geführt wurde. Aber sie lebt in Salzburg, damit stand ihr der Weg offen, kurzfristig dieses Engagement anzunehmen, und ihr Debüt in Basel zu geben, auf das man beim Sinfonieorchester schon mehrmals hingearbeitet hatte.
Und sie ist in Basel gut angekommen, diese Ausnahmefrau unter den Dirigenten. Ausnahme natürlich, weil es nach wie vor viel zuwenigen Frauen in diesem Beruf gibt, aber Ausnahme auch, weil sie konsequent ihre ganz individuelle künstlerische Linie pflegt. Sie ist mit dieser Haltung sehr schnell zu erfolgreichten Dirigentin der Welt aufgestiegen – jedenfalls zur ersten und bisher einzigen, die einen Vertrag mit dem renommiertesten Klassik-Label «Deutsche Grammophon» erhielt. Dort hat sie als erste Tat Sinfonien von Mieczysław Weinberg eingespielt, jenem lange völlig verschütteten Schostakowitsch-Freund, den ein widriges Schicksal vom Warschauer Ghetto über Minsk und Usbekistan in ein wenig beachtetes Komponistenleben in Moskau trieb.
Musik von Weinberg setzte sie auch in Basel auf das Programm: Die dritte (von 22) Sinfonien, die der fleissige Komponist in seinem langen Leben schuf. Zuvor aber dirigierte sie Beethovens Vierte mit dem Basler Orchester, das sich ein historisch informiertes Klangbild gab: Trompeten und Pauken im Stil der Beethoven-Zeit, die Streicher mit historischen Bögen aber in recht grosser Besetzung. Was aber unter Mirgas Händen gerade eines nicht hiess: Lautstärke. Sie hielt mit wacher Präsenz die vergleichsweise grosse Streicherbesetzung resolut im Zaum, verlangte nach jedem extrovierterten Akzent sofort wieder Zurückhaltung, kostete aber dennoch die klangliche Wucht auch immer wieder gerne kurz aus.
Die Akzente sind knackig und kurz, das Vibrato sehr dosiert, damit erhalten die Holzbläser sehr viel Raum und können sich entfalten, ohne sich ständig gegen die Streicher-Übermacht zur Wehr zu setzen. Aber Mirga gab nicht nur die Domina, immer wieder erlaubte sie auch freies Aussingen, liess schwelgerische Rubati in einem angemessenen Rahmen zu und bewies in ihrer Tempo-Dramaturgie eine Elastizität, die man gerade von den Beethoven-Interpretationen der Originalklang-Ensembles nicht gewohnt ist. Das alles sind Einladungnen, welche von den Basler Orchestermusikern sehr bereitwillig aufgenommen und mit engagiertem, bisweilen ausserordentlich beseeltem Spiel quittiert wurden.
Und dann Weinbergs Dritte: Ein gross besetztes sinfonisches Werk, entstanden 1948-49, das dann aber zurückgezogen und erst zehn Jahre später, als Stalin längst tot war, uraufgeführt wurde. Parallelen zu Schostakowitschs Vierter sind unübersehbar in der versteckten Kritik an den politischen Zuständen, mit doppelbödig munteren Zitaten aus der Volksmusik, und einem aufgesetzten, vordergründigen Pathos.
Beeindruckend, wie Mirga immer wieder eine grosse melodische Anmut aus dieser bisweilen wenig strukturiert wirkenden Partitur heraus zauberte. Überaus elastisch ist ihre Körpersprache, die auch im grössten Orchestergetümmel in keinem Moment brachiale Züge annimmt. Den dritten und besten Satz dieser Sinfonie, einem grossen, von den Linien der Streicher geprägten Klagegesang, erweckten Mirga und die Basler Musiker mit einer unmittelbar packenden Intensität zum Leben.
Reinmar Wagner
Verteidiger des Friedens – eine Messe für Bruder Klaus
Die Basler Madrigalisten entreissen die bedeutende Messe des Schweizer Komponisten Benno Ammann zu Ehren von Nikolaus von der Flüe dem Dunkel des Vergessens.

Gerade viele Heilige hat sie nicht hervorgebracht, die kleine Schweiz. Mindestens einen aber kennt jedes Kind, auch wenn es nicht katholisch erzogen wurde: Niklaus von der Flüe, den Einsiedler aus Flüeli-Ranft, den Bruder Klaus, den sogar die Mächtigen Europas manchmal um Rat baten, der die Alten Eidgenossen wiederholt zur Raison brachte und an der Tagsatzung zu Stans 1481 massgeblich daran beteiligt war, dass sich die ländlichen mit den städtischen Orten wieder einmal zusammen rauften.
Bruder Klaus lebte von 1417-1487, heilig gesprochen aber wurde er erst 1947. Zur Feier dieser päpstlichen Entscheidung sollte in der Sixtinischen Kapelle eine neue Messe aufgeführt werden, und passenderweise gab es da einen Schweizer, der ein zweites Standbein in Rom pflegte und als Kirchenmusiker und Chorleiter einiges Ansehen genoss: Benno Ammann, geboren 1904 in Gersau, Schüler von Sigfrid Karg-Elert in Leipzig und zeitweise auch Korrepetitor und Chorleiter am Theater Basel. Sehr bekannt ist er heute nicht mehr, für den Erfolg als Komponist war er einerseits zu wenig geschäftstüchtig und auch zu wenig zuverlässig, andererseits experimentierte er quer durch alle Musikstile seiner Zeit und blieb auf diese Weise kaum fassbar für allfällige Interessenten an seinen Kompositionen, zudem pflegte er je länger je mehr einen starken Hang zum Orchideen-Gärtchen der elektronischen Musik.
Jeden Sommer pilgerte er nach Darmstadt, wo sich bei den «Ferienkursen für Neue Musik» um ihre Zentralgestirne Boulez, Nono und Stockhausen die musikalische Avantgarde versammelte. Seine Messe für Bruder Klaus aber, die den Titel «Defensor Pacis» (Verteidiger des Friedens) erhielt und in die Ammann zwischen Gloria und Sanctus das berühmte Gebet von Niklaus «Mein Herr und mein Gott» eingefügt hat, verrät nichts von avantgardistischen Experimenten. Ammann pflegt darin einen durchwegs feierlich gemessenen, melodisch einfach gehaltenen Chor-Stil, der fast ausschliesslich von den Spannungen zwischen dissonanten Reibungen und der Klarheit reiner Akkorde lebt: Keine Aufregung, nichts Exaltiertes, kaum Sprünge, selten ein Dreier-Metrum. Zwar ist dieses Werk bei weitem nicht so einförmig und repetitiv, wie das später Kollege Arvo Pärt zum Markenzechen machte, aber die verschiedenen Bedeutungs-Ebenen des Messetextes, der ja durchaus auch dramatische Elemente enthält, schlagen sich kaum nieder in seiner bis zu zwölfstimmigen Messe für Chor a capella.
Solches Fokussieren auf langsames akkordischen Fortschreiten, in dem selbst Reibungen von dissonanten Intervallen ihren ganz eigenen Reiz und ihre spezifische Schönheit erhalten, kommt den Fähigkeiten der Basler Madrigalisten und ihrem kraftvoll reinen, immer überaus homogenen Klang sehr entgegen. Unter dem aufmunternd-unaufgeregten Dirigat von Raphael Immoos, der die Madrigalisten seit 2013 leitet, sind sie die denkbar besten Anwälte für dieses durchaus zu Unrecht vergessene Messe-Vertonung. Eine CD-Aufnahme dieses Werks erscheint im Frühling 2021.
Reinmar Wagner
Martha Argerich mit 80 – ein Vulkan an Ausdruckswillen
«Life is live» sagt man sich beim Lucerne Festival und hält – auf zehn Tage reduziert – das Festival am Leben. 35 Musiker haben Corona-konform auf dem Podium Platz – mehr hatte Beethoven in Wien auch nicht. Also Beethoven: Herbert Blomstedt leitete zur Eröffnung am Freitag das Festival-Orchester, Martha Argerich spielte das erste Klavierkonzert, Alain Berset hielt die Eröffnungsrede.
Gewisse Gewohnheiten lassen sich auch in den Zeiten des Virus‘ nicht so einfach vergessen: Artig schüttelte Blomstedt dem Konzertmeister die Hand, als er auf Podium trat – um gleich seinen Fauxpas zu bemerken. Es blieb der einzige des 93jährigen schwedischen Dirigenten, der sich Luzern als Wohnort zum Lebensabend erwählt hatte. Souverän führte er danach das in der Besetzung geschrumpfte Lucerne Festival Orchestra sowohl durch das erste Klavierkonzert wie durch die zweite Sinfonie Beethovens.
Und es war beileibe keine Routine-Aufgabe, die der Maestro zu bewältigen hatte: Ein Orchester zu leiten, das nicht regelmässig zusammen spielt, braucht Erfahrung und Charisma, und wenn man eine Solistin wie Martha Argerich begleiten soll, dann muss man ohnehin auf alles gefasst sein. Die Dame ist zwar auch schon fast 80, aber noch immer ein Vulkan an Ausdruckswillen, ein Ausbund an musikalischer Lebensfreude. Sei es in den Tempi, sei es in den Akzenten oder in der Dynamik, stets sind es unerwartete und plötzliche Überraschungen, die das Spiel der Argerich prägen. Ein pures Zelebrieren eines einmal gefundenen Ideals war ihre Sache noch nie, die Wiederholung – und sei es noch so schön – ist in ihren Augen Stillstand und Tod.
Es muss knistern bei Martha Argerich, die Spannung muss hoch bleiben, Spontaneität ist ihr Markenzeichen. Und dabei braucht sie gar nicht in die Extreme zu gehen: Nichts ist demonstrativ in ihrem lebendigen Spiel. Ganz selten ein fern-verträumtes Pianissimo, fast nie wirklich brachiale Akzente, immer mal wieder rasche Tempi, aber keine Rekordjagden, manches wirkt schneller als es ist, weil sie davor subtil ein Rubato einstreut. Immer wieder wunderschön, wie sie melodische Linien gestaltet, fast so als ob sie sie gerade erfinden würde – der geniale Improvisator Beethoven ist zu erahnen in diesem überaus lebendigen und beweglichen Spiel.
Das von Claudio Abbado formierte und oft zu legendären Höhenflügen angeführte Luzerner Festival-Orchester klingt in dieser Corona-reduzierten Besetzung natürlich anders: forscher, burschikoser, weniger auf Subtilität als auf selbstbewusste klangliche Präsenz bedacht. Aber es hat in den Jahren seit Abbados Tod doch einiges bewahren können von dem, was es einst auszeichnete. Noch immer sind die herausragenden Bläsersolisten ein starkes Markenzeichen: Jacques Zoon an der Flöte, Reinhold Friedrich an der Trompete, Lucas Macias Navarro an der Oboe und diesmal besonders eindrücklich im Duett mit der Pianistin der Klarinettist Vicente Alberola.
Bundesrat Alain Berset sprach in seiner Eröffnungsrede zum Thema des Moments: von Entscheidungen, die man fällen muss, obwohl man nicht alle Fakten kennt, von Trial and Error (schweizerisch: Durchwursteln, was er durchaus positiv bewertete), vom Zusammenhalt der Gesellschaft und dem wieder erstarkten Vertrauen in Wissens und Expertise und der überhaupt nicht rhetorischen Frage, ob sich etwas davon über die Zeit des Virus hinaus wird bewahren können.
Reinmar Wagner
Horror-Ballade oder Liebeserklärung?
Manchmal entstehen Berührungspunkte, wo man sie kaum erwarten würde: Das Davos Festival kombinierte das klassische Kunstlied mit der jungen, kompetitiven Literatur-Form «Slam Poetry». Eine interessante Begegnung.

Natürlich gab’s einen Sieger, wie sich das für einen Slam gehört: Das blaue Team schlug das rote 2:1 und holte damit den anfänglichen Rückstand auf beeindruckende Weise auf. Das Genre «Poetry Slam» entstand 1986 in Chicago und breitete sich in den 90er-Jahren weltweit aus. Slam bedeutet schlagen, niederschlagen, im Kern geht es bei einem solchen Wettbewerb darum, mit selbst verfassten Texten und deren Performance eine Jury oder gleich das gesamte Publikum stärker zu überzeugen als die Konkurrenten.
Solche «Poetry Slams» sind auch auf Schweizer Bühnen unterdessen etabliert, das Zürcher Schauspielhaus beispielsweise holte die Szene seit der Marthaler-Ära gerne ins eigene Haus, Berührungspunkte gibt es einerseits zum Rap, andererseits zur Comedy. Das eigenständigste Element der «Slam Poetry» aber ist der Wettbewerb und die direkte Bewertung der meist nur fünf bis sieben Minuten dauernden Auftritte und Texte.
Dass man im klassischen Liedgesang hingegen die Darbietungen nach jedem Lied bewertet, das gab es wohl noch nirgends. Aber warum sollte man auch Lieder von Schumann und Brahms, und insbesondere deren Interpretation nicht auf ähnliche Weise beurteilen können? Das Davoser Konzert zeigte: es geht, und es macht Spass, und so konnte das Konzept, das die Sängerin und Kabarettistin Fee Brembeck in Davos wohl als Weltpremiere vorstellte, mühelos ein durchaus traditionelles Konzertpublikum überzeugen und einen Abend lang fesseln.
Die Teams bestanden aus je einem klassischen Sänger und einer Slam Poetin (Team Blau aus dem Bassisten Yves Brühwiler und Gina Walter), respektive einer Sängerin und einem Poeten (Team Rot aus der Mezzosopranistin Laura Binggeli und Kilian Ziegler). Die Pianistin Marlene Heiss teilten sich die beiden klassischen Stimmen, bei den Slam-Poeten dagegen ist jede Untermalung durch ein Begleitinstrument verboten. Und die Jury, das waren wir, das Publikum, das mit der Lautstärke seines Applauses abstimmen durfte.
Lose thematisch geordnet verlief der Abend in zwei Vorrunden plus Finale. Und wer jetzt denkt, dass die schöngeistigen Vertonungen hehrer Goethe-Gedichte von Schubert und Co. gegen den bösen Wortwitz der Battle-gestärkten Slammer nur blass aussehen würden, sah sich schnell getäuscht. Da war zum Beispiel die schaurige Vertonung der Herder-Ballade «Edward» von Carl Loewe, in der es um Vatermord und Höllenfluch für die Mutter geht, in der Yves Brühwiler alle Register seiner wandlungsfähigen Stimme ziehen konnte. Diesem Horror-Klassiker aus der Romantik setzte Gina Walter eine zwar ein bisschen ironische, aber insgesamt sehr liebevolle Hommage an ihren «Papi» zur Seite.
Wortwitz und Ironie sind neben dem unwiderstehlichen Sog von rhythmisch skandierten Versen die stärksten Waffen eines Slam-Poeten. Aber Ironie konnten auch Schumann und Heine, zum Beispiel in «Ein Jüngling liebt ein Mädchen». Und die Fallhöhe zwischen Dialekt und Hochdeutsch, mit der Gina Walter gerne spielte, geht ebenfalls bei Heine-Schumann, wie Brühwiler mühelos bewies. Oder wenn man «Memories» von Charles Ives hört, hat das im ersten Teil auch schon fast die rhythmische Energie eines Rappers. Und vollends im Grenzbereich der beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Kunstformen ist man in den kabarettistischen Liedern von Georg Kreisler («Wer Alban Berg schafft, braucht keine Gewerkschaft»), die Laura Binggeli eloquent ins Feld führte.
Gegen Kilian Ziegler mit seinem Sprachwitz, seinen dauernden Kalauern, den lautmalerischen Verballhornungen und völlig entlegenen «trompe l’oreille»-Verbiegungen, zieht allerdings auch Kreisler den Kürzeren. Da zeigte sich dann auch die Erfahrung des Slam-Poetry-Schweizer Meisters von 2018: Nicht nur, dass er seine Texte unterdessen fast alle auswendig kann – er weiss auch genau, wo er wie lange auf die Lacher aus dem Publikum warten muss.
Volkston in Ernen
Weltstars eröffneten Im Musikdorf Ernen trotzt man dem Virus und spielt Kammermusik in der Kirche vor einem auf 220 Zuhörern reduzierten Publikum. «Im Volkston» hiess am 9. August das Motto in der Reihe «Kammermusik plus».

Er konnte auch richtig salonhaft klingen, der Ludwig van. Zum Beispiel in den Volkslied-Bearbeitungen irischer, schottischer und walisischer Lieder, die der Bariton Thomas Oliemans zur Eröffnung dieses Konzerts mit ausdrucksvoller, wandlungsfähiger Stimme sang. Die Begleitung von Geige, Cello und Klavier bietet aparte Möglichkeiten, und Beethoven nutzt sie für süffige Terzen- und Sexten-Gänge, die den Schmelz der Streichinstrumente schön herausstellen oder harmonische Finessen, die seine Arrangements ein wenig abheben von der reinen Volkstümlichkeit dieser Lieder. Stimmungsvolle Naturmalereien umfasst das breite Spektrum, ein bisschen Liebes-Wehmut, aber natürlich auch Trinklieder, die den Pianisten Alasdair Beatson derart mitrissen, dass er den Refrain jeweils aus voller Kehle mitgesungen hat.
Leicht verdientes Geld für Beethoven: Ein schottischer Sammler von Volksmelodien, George Thomson, beauftragte die führenden Komponisten seiner Zeit mit Arrangements der gefundenen Zeugnisse, darunter auch Pleyel oder Haydn.1806 trat er auch in Kontakt zu Beethoven und weckte dessen Interesse, der schliesslich nicht weniger als 179 solcher Bearbeitungen schrieb. Zwar waren sie dem Auftraggeber zu avanciert und zu schwierig, aber Beethoven liess sich von solchen Einwänden nicht beeindrucken: Ziemlich harsch liess er Thomson wissen: «Ich bin es nicht gewohnt, meine Kompositionen zu überarbeiten; ich habe dies niemals getan, da ich überzeugt bin, dass jegliche noch so kleine Änderung den Charakter des Werks verfälscht. Ich bedaure, dass Sie hier verlieren, jedoch kann man mich kaum für schuldig befinden, wäre es doch Ihre Aufgabe gewesen, mich mit dem Geschmack Ihres Landes und dem bescheidenen Vermögen Ihrer Musiker vertraut zu machen.»
Das sind Entdeckungen im Jubiläumsjahr, die wieder einmal zeigen, dass ein solcher Hype, wie wir ihn gerade um Beethoven erleben durchaus doch Sinn machen kann. Eigentlich hätten die beiden künstlerischen Leiter der Kammermusik-Plus-Reihe, die beiden Pianisten Alasdair Beatson und Paolo Giacometti, diesen Abschnitt des sommerlichen Festival-Reigens in Ernen zur «Beethoven-freien Zone» erklärt – wobei er dann doch durch die Hintertüre immer mal wieder in die ursprünglichen Programm-Ideen hinein geplatzt wäre. Aber dann kam das Virus, und die Konzertprogramme wurden den Corona-Bedingungen angepasst.
Dennoch haben Beatson und Giacometti ein überaus sinnvolles Programm für diesen August-Abend zusammen gestellt: Beethovens Blick auf die britischen Inseln stand das Klaviertrio über irische Volksweisen von Frank Martin gegenüber: Ständige Taktwechsel, modale Kirchentonaren, aus vollem Herzen singende Cello-Linien, von denen Christian Poltéra nicht das geringste an Cello-Schmelz verschenkte und zum Schluss eine Gigue, die wunderhübsch davon erzählt, wie der erst artig geordnete Gesang nach und nach in alkohol-bedingte Munterkeit und schliesslich grölende Fröhlichkeit umschlägt. Frank Martin ging 1925 in der harmonischen und rhythmischen Verfremdung der ursprünglichen Vorlagen allerdings ein ganzes Stück weiter als Beethoven. Vor allem die rhythmischen Möglichkeiten der insgesamt vierzehn hier verwobenen irischen Melodien und Tänze reizten Martin, und die wilden Synkopen, die er bisweilen einstreute, animierten Paolo Giacometti zu beinahe schon jazzigem Klavierspiel.
Weniger deutlich sind die Volksmusik-Anklänge in den beiden Stücken in der Mitte dieses Programms: in Ravels Sonate für Violine und Cello kann man ein bisschen ungarisches Temperament heraus hören, viel wichtiger aber waren Ravel heftige Kontraste zwischen tiefer Stille und wilder Erregung, rhythmische Prägnanz und schroffe Dissonanzen. Ein herausforderndes Stück, in dem Esther Hoppe und Christian Poltéra alles auspacken mussten, was sie an musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten zu bieten haben. Sehr viel eingängiger ist die erste Rhapsodie für Klarinette und Klavier, die Debussy 1910 fertig komponierte. Ausgeprägt melodisch gedacht, bietet sie der Klarinette alle Möglichkeiten des Ausdrucks vom weit gespannten elegischen Singen bis hin zu lebhafter Fröhlichkeit. Was der britische Klarinettist Matthew Hunt aus diesem Prüfungsstück, das Debussy für das Pariser Conservatoire schrieb, an diesem Abend machte, war eine beeindruckende und mitreissende Demonstration der vielfältigen Möglichkeiten seines Instruments.
Das Festival in Ernen dauert noch bis Mitte September. Vom 28.-30. August zum Beispiel ist in «Klavier kompakt» András Schiff zu Gast und spielt einerseits den zweiten Band von Bachs «Wohltemperiertem Klavier», andererseits Klaviermusik von Janacek, Schubert und Schumann. Und am Wochenende vom 12./13. September gehört die Aufmerksamkeit vier Nachwuchs-Kammermusik-Ensembles.
Reinmar Wagner
Die Tastenlöwin ist jung geblieben
Weltstars eröffneten das diesjährige Engadin Festival im Rondo in Pontresina: Die Pianistin Martha Argerich und der Geiger Renaud Capuçon spielten Kammermusik von Beethoven, Franck und Prokofjew, in einem doppelt geführten Konzert und natürlich in Corona-tauglicher Sitzordnung für das Publikum.

Andere, grössere Festivals haben für diesen Sommer die Segel gestrichen, im Engadin spielt man gegen das Virus an. Einige Konzerte werden doppelt geführt, anders bekommt man keine genügend hohe Zahl von Zuhörern in die Konzerträume. Zweimal am selben Abend die Konzentration aufzubringen für ein herausforderndes Programm von eineinhalb Stunden Dauer – keine Selbstverständlichkeit für eine fast 80jährige Musikerin. Aber Martha Argerich liess sich nicht lange bitten – und wirkte auch am Ende des zweiten Auftritts kein bisschen müde.
Man sieht ihr das Alter von 79 Jahren an – beim Gehen, aber nicht beim Spielen: Kerzengerade sitzt sie am Flügel, keine Anstrengung ist ihr anzumerken, leicht fliessen die Melodien aus ihren Fingern, federnd springen die Motive zwischen ihr und ihrem seit vielen Jahren vertrauten geigenden Freund aus Frankreich hin und her. Und die beiden spulen nicht einfach ihr einstudiertes Programm ab, so etwas wäre der Argerich viel zu langweilig. Immer wieder setzt sie unerwartete Akzente, beschleunigt abrupt die Tempi, wenn Capuçon für ihren Geschmack ein bisschen zu sehr in seinen strahlenden Geigen-Höhen schwelgt oder sie lässt mit unerwarteten Rubati die Erwartungen an einen bequem treibenden Puls ins Leere laufen.
Solche Überraschungen kommen ohne Vorwarnung: Aus dem Handgelenk, fast ohne Ansatz meisselt sie Akzente in die Tasten. Ihre Klaviertechnik ist noch immer stupend. Leicht und scheinbar mühelos gestaltet sie perlende Läufe gestochen scharf, wählt gleich im Kopfsatz von Beethovens Opus 30-3 ein sportlich rasches Tempo, zaubert virtuose Girlanden in die Franck-Sonate oder erzeugt auch mal richtig unheimliche Klänge im überraschend vielschichtigen Werk von Prokofjew, bei dem man vom Klavier eher hämmernde Motorik erwarten würde. All das aber wirkt kein bisschen demonstrativ, ist weit entfernt vom Show-Gehampel, das gewisse Jungstars am Klavier abziehen.
Spontaneität war immer eines ihrer Markenzeichen, sowohl musikalisch wie im Umgang mit Veranstaltern und Mitmusikern. Nicht umsonst trug sie den Ehrentitel «die Löwin». Es gab Zeiten, da waren Konzertabsagen der Argerich an der Tagesordnung, aber seit vielen Jahren ist sie sehr viel zuverlässiger geworden, und zeigte sich auch im Engadin von ihrer charmantesten Seite. Längst tritt Martha Argerich nicht mehr alleine auf, will Künstler an ihrer Seite haben, die die Anspannung vor dem Auftritt und die Freude danach mit ihr teilen. So findet man sie oft als Kammermusikerin, besonders eindrücklich in den 15 Jahren in Lugano beim «Progetto Martha Argerich», wo sie jeweils im Juni eine imposante Reihe ausgewählter Musikerfreunde um sich versammelte und das klassisch-romantische Kammermusik-Oeuvre durchforstete, was vom Tessiner Radio jeweils auf CD festgehalten wurde.
Da war auch Renaud Capuçon fast immer mit dabei, die Vertrautheit, die die beiden verbindet, war auch in Pontresina zu spüren. Was keineswegs Routine bedeutet, sondern das Gegenteil: sich einlassen auf die Ideen und momentanen Einfälle des Partners, im Wissen, dass man sich aufeinander verlassen kann. So durchzog eine ungeheure Spontaneität und Lebendigkeit die ganz unterschiedliche Musik dieser drei Sonaten, und sogar für eine Zugabe reichten die Kraft und die Musizierlust: Kreislers «Liebesleid», charmant und entspannt, ein bisschen melancholisch und verträumt, auch hier ohne jeden Anflug von demonstrativer Expressivität.
Bis zum 9. August dauert das Engadin Festival diesen Sommer. Grigory Sokolov zum Beispiel ist zu Gast, ein weiterer legendärer Altmeister am Klavier, mit Musik von Mozart und Schumann im Gepäck. Maurice Stegers virtuose Blockflöte ist mit dem Basler Barockensemble «La Cetra» zu hören, ebenso wie das Gershwin Piano Quartet oder das warme Timbre des Tenors Daniel Behle. Und die Begegnung mit einer ziemlich exotischen Kombination von Instrumenten – Akkordeon und Mandoline – ermöglichen Ksenija Sidorova und Avi Avital.
Reinmar Wagner
Wir sind wieder da!
Seit Mittwoch, 10. Juni, gibt es im Basler Musikbahnhof Gare du Nord wieder Konzerte mit neuer und nicht ganz neuer Musik. Sechs Konzerte in drei Tagen, im Corona-Abstand für Musiker und Publikum, versteht sich.

Erik Satie (1866-1925), war ein französischer Komponist – trotz des „k“ in seinem Namen. Er war auch ein Dichter, was man weniger weiss. Sicher ist, dass er ein überaus origineller Mensch und Künstler gewesen ist, dass seine Musik immer kurz, schlicht, prägnant, witzig und verspielt ist. Diese Verspieltheit haben sich die Sängerin Anne May Krüger und der Posaunist und Komponist Mike Svoboda zum Motto ihres ersten Post-Corona-Konzerts in der Gare du Nord gewählt.
Daraus wurde eine Stunde der geistreichen Verballhornungen und schrägen musikalischen Querverweise. Svoboda, meistens Meisterposaunist, jetzt Hand-handicapiert, setzte noch eins drauf, indem er Saties Lieder für die noch einmal ziemlich quere Besetzung Gesang, Akkordeon und Posaune arrangierte, und von den Möglichkeiten dieser reizvollen Klangkombination nicht nur nicht das geringste verschenkte, sondern selbst noch etliche kompositorische Reize hinzufügte, indem er Gedichte von Satie gleich selber in Musik setzte und mit dem oft höchst virtuosen Posaunen-Part den Kollegen Stephen Menotti ganz schön an die Grenzen spielbarer Möglichkeiten trieb. Was dieser zwar souverän meisterte, ebenso wie Nejc Grm am Akkordeon, was aber den unterbeschäftigten Meister dazu trieb, auf der Drehorgel – das Schablonen-Laufwerk am Laufen zu halten ging manuell offensichtlich – erst ziemlich simple, dann überaus virtuose, wenn auch nur gestanzte Koloraturen abzuspulen. Nicht zu reden von den Spielzeug-Melodicas mit groteskem Luftschlauch, denen Svoboda zusätzliche spielerische Reize abzugewinnen vermochte.
Nicht genug des vergnüglichen, verspielten Musizierens: Dass die Perkussion ein wahres Universum an Klang-Erzeugungs-Geräten bietet, wissen wir natürlich längst, und Jeanne Larrouturou brachte einiges davon im zweiten Teil dieses Konzerts mit in die Bahnhofshalle. Aber auch mit Sound-Effekten auf der E-Gitarre von Christopher Moy lässt sich trefflich spielen, nicht minder mit den Klangfarben, Atemtönen und Klappgeräuschen einer Bassflöte, die Tatiana Timonina neben ihrem normalen Silber-Instrument mitgebracht hatte. Texte von Beckett, Picabia oder Kharms hatten sich die drei Musiker ausgesucht, und liessen sich davon zu ihren Improvisationen inspirieren.
Nach exakt drei Monaten Corona-Lockout hatte die «Gare du Nord»-Intendantin Désirée Meiser am Mittwoch ihr Publikum wieder begrüssen dürfen. Ein zahlenmässig arg reduziertes Publikum allerdings: Jede zweite Reihe war den Après-Corona-Vorschriften gewichen, in den verbliebenen arrangierten die Platzanweiserinnen die Zuhörer mit Sicherheitsabstand. 40 Ohrenpaare passen so noch in den Saal, und man darf keine Getränke mehr mitnehmen – sonst ein wesentlicher Teil des Charmes dieses Musikbahnhofs.
Man hat in den lähmenden Social Distancing-Wochen wie viele andere Kulturhäuser zwar täglich mit einem «Klanglieferservice» gezeigt, dass Kunst nicht an sich virenanfällig ist, aber das Live-Erlebnis eines real existierenden Konzerts lässt sich technisch nicht ersetzen. Jetzt ist man wieder da: Sechs Teams erhielten die Möglichkeit, ein einstündiges Programm zu erarbeiten, und in «halluzinatorisch kurzer Zeit», so Meiser, seien die Ideen gesprudelt. Sechs Kurzkonzerte in drei Tagen, nach Krüger-Svoboda und Paul und Anja Clift am Mittwoch waren etwa Viviane Chassot und Jürg Henneberger am Donnerstag an der Reihe. Und wer heute Freitag um 18 oder 20 Uhr noch nichts vor hat, kann sich «Elekroschock» vom Ensemble «Thélème» oder sogar eine Edward Rushton-Uraufführung mit Johannes Keller und Vera Schnider anhören.
Reinmar Wagner
Heiliger Gesang
Auf seiner Beethoven-Tour rund um die Welt machte das französische Spitzenquartett Quatuor Ebène auch in Basel Station: Ein Ereignis!

Manchmal stellt ein einziger Moment den Rest eines an sich sehr guten Konzerts derart in den Schatten, dass die Erinnerungen an die anderen Teile des Programs wie weggeblasen werden. So ging es mir beim Auftritt des seit zwanzig Jahren zusammen spielenden, 2017 allerdings auf der Bratschen-Position neu besetzten Quatuor Ebène. Beethovens wahrscheinlich erstes Quartett, die Nummer drei aus seinem ambitionierten Opus 18, hatten die vier Franzosen zum Eingang gespielt: Beweglich und schlank, mit viel Fach-Kompetenz und einem noblen, nicht zu exzessiv auf die Widerborstigkeiten verweisenden Klang – was sie in der Vergangenheit auch schon deutlich schärfer hervorgehoben hatten. Sind sie abgeklärter geworden? Oder spielt Marie Chilemme, die erste Frau in diesem sonst immer männlich besetzten Ensemble eine moderierende Rolle? Wenn man ihrem aktiven Bratschenspiel zuhört und ihrer offensiven Gestik zusieht, hat man allerdings eher das gegenteilige Gefühl vom Rollenverständnis der Neuen in diesem Spitzen-Quartett.
Auch die Interpretation des einzigen Quartetts von Gabriel Fauré, einem Komponisten, den dieses Quartett seit seinem Start intensiv gepflegt hat, geriet den Ebènes auf höchstem Niveau souverän und in abgerundeter Klarheit, klanglich delikat, mit einem angepasstem Vibrato, das jede Schwülstigkeit vermied. Aber eben, dann stand nach der Pause ein weiteres Streichquartett von Beethoven auf dem Programm, sein Opus 132, ein Werk aus der Gruppe jener späten Quartette, die bei den Zeitgenossen auf Unverständnis stiessen, und die bis heute einen guten Teil ihrer faszinierenden Rätselhaftigkeit behalten haben.
Einer der raren, bei Beethoven aber immer sehr bedeutungsvollen programmatischen Hinweise steht über dem zentralen dritten Satz dieses Quartetts: «Heiliger Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit». Mit kristalliner Klarheit, noch einmal stark reduziertem, nur einzelne Töne kolorierendem Vibrato, mit weitem, schier übermenschlichem Atem tauchte das Quatuor Ebène ein in diesen Gesang. Das wie immer sehr fachkundige Publikum der „Gesellschaft für Kammermusik“, das seit vielen Jahren nun nicht gerade darben muss wenn es um Streichquartett-Kultur auf höchstem Niveau geht, traute sich kaum zu atmen nach dem Verklingen dieser intensiven, in spirituelle Dimensionen abhebenden Musik.
Auf allen sechs Kontinenten hat das Quatuor Ebène auf seiner Beethoven-Reise unterdessen gespielt, darunter in Rio oder auch in den Slums von Nairobi, und sie sagen, sie seien erstaunt gewesen wie bruch- und mühelos sich Beethovens Botschaft der Brüderlichkeit dabei sofort für jedes Publikum erschlossen habe. Die Einspielung aller Beethoven-Quartette, die auf dieser Reise mitgeschnitten wurden, erscheint in den nächsten Wochen bei Warner, begleitet von einer filmischen Dokumentation. Damit ist die Beethoven-Reise für das Quatuor Ebène aber noch nicht beendet, denn jetzt fahren die Vier die Ernte ein: In einigen der renommiertesten Konzertsälen der Welt, darunter der Carnegie Hall in New York, aber auch beim Verbier-Festival spielen sie sämtliche 16 Streichquartette als sechsteiligen Konzertzyklus: Ein würdiges Geschenk zum 250. Geburtstag Beethovens!
Reinmar Wagner
Klassisches Konzert in der Basler Synagoge
Seit 150 Jahren zum ersten Mal durfte die Grosse Synagoge in Basel als Konzertraum benutzt werden: «Die Weissagung des Jesaja», das letzte Werk von Bohuslav Martinů, öffnete die Türen. Ein ganz besonderes Konzert – nicht nur der äusseren Umstände wegen.

Sicherheitspersonal, Polizei, eine Menschentraube vor der Eingangsschleuse, Gepäckkontrollen – alles sehr freundlich und zivil, aber es war schon vor der Grossen Synagoge in der Basler Leimenstrasse klar: Ein normales Konzert ist das nicht. Wer als Mann ohne Kippa gekommen war, wurde damit ausgerüstet, bevor er den doppelkuppeligen Bau betreten durfte, der in den 1860er Jahren im neo-byzantinischen Stil errichtet wurde.
Dass in einem jüdischen Gebets- und Versammlungshaus Musik erklingt, ist dann erlaubt, wenn die Musik einen Bezug zu den Heiligen Schriften aufweist und wenn sich aus ihrer Erörterung eine religiöse Erkenntnis für die Gläubigen ergibt, wie der Basler Rabbiner Dr. Moshe Baumel erklärte. Das erste war gegeben mit dem letzten Werk von Martinů, das zweite übernahm der Rabbiner gleich selbst: Eloquent, mit einer guten Portion jüdischen Humors, und zudem musikalisch kompetent, indem er etwa darauf hinwies, dass der schwer kranke Martinů zwar die apokalyptischen Stimmungen und Bilder der Verse Jesajas in all ihrem Schrecken und in ihrer Düsternis schildert, aber am Ende doch in strahlendem Dur den Triumph Gottes verkündet.
Die Besetzung des in originalem hebräisch vertonten Werks, das Martinů als Gast von Paul Sacher in Pratteln schrieb, ist exotisch: Männerchor, drei Solisten, Klavier, Viola, Trompete und Pauke. Martinů nutzte diese Kombination zu einer enorm vielschichtigen, ausdrucksstarken Musik, die von Nicolas Fink, dem Chorleiter des WDR-Rundfunkchors auch überaus facettenreich ausgestaltet wurde. Erstaunlich, welche Wucht die 18 Männer des WDR-Chors zu entwickeln imstande waren, berührend aber auch, mit welcher Wärme und klanglichen Weichheit sie die lichtvolleren Passagen ausgestalteten.
Bassgewaltig sang Marc-Olivier Oetterli, ungemein klangschön der Counter David Feldman und in höchsten Sopransphären der brasilianische Sopranist Bruno de Sá. Ja, auch Männer können Sopran singen. Countertenöre, wie man sie mittlerweile aus der Barockmusik gut kennt, erreichen üblicherweise Alt- oder Mezzosopran-Lagen. Dass Männer ihre Falsett-Stimme noch höher trainieren können, ist selten, aber zum Glück möglich, denn in den meisten Synagogen, auch in Basel, dürfen Frauen ihre Stimme nicht erheben.
Auftreten hingegen dürfen sie durchaus, wie Katharina Haun bewies, die als Leiterin der Basler Knabenkantorei drei hebräische Knabenchöre von Viktor Ullmann dirigierte, oder die Geigerin Nitzan Bartana, die zusammen mit Robert Kolinsky am Klavier ein kurzes «Fresco» von Petr Eben spielte.
Zwei weitere Werke dieses tschechischen zeitgenössischen Komponisten strukturierten das Programm – und wirkten nicht nur neben Martinů etwas akademisch-elaboriert, sondern auch neben den trotz ihrer Entstehung in Theresienstadt unbeschwert fröhlichen jiddischen Liedern Ullmanns oder dem Psalm 121 in der hinreissenden Vertonung von Darius Milhaud, die von den WDR-Männern mit höchster Chorkultur in sprechender Ausgestaltung gesungen wurden. Das Konzert wurde von mehreren Radiostationen direkt übertragen. Auch SRF 2 Kultur sendet den Mitschnitt am 1.12. um 22 Uhr.
Reinmar Wagner
Gidon Kremer eröffnet die Martinů-Festtage in Basel
Gidon Kremer kam zur Eröffnung des Basler Martinů-Festtage und spielte – nicht Martinů

Willst du wissen, ob ein Komponist wirklich kreativ und originell ist, sag‘ ihm, er soll für bloss zwei gleiche Instrumente schreiben! Bohuslav Martinů jedenfalls konnte genau das meisterhaft wie das Eröffnungskonzert der Martinů-Festtage in Basel zeigte. Schlicht und schön, einfach und unaufgeregt sind seine Duette für zwei Violinen. Etüden sind es, Übungsstücke, nicht gedacht für den Konzertsaal also, dennoch hier wunderbar am Platz wie die kleine Auswahl zeigte, welche zwei Kremerata baltica-Musikerinnen charmant vorstellten.
Das Gegenstück zu so viel souveräner Schlichtheit: Die Sonate für zwei Geigen von Mieczyslaw Weinberg. Gidon Kremer spielte sie, zusammen mit Madara Petersone, einer anderen Geigerin aus seinem jung gebliebenen Kammerorchester. Ein Stück so sperrig und spröd wie ambitioniert, ohne aber die Erwartungen erfüllen zu können. Kremer setzt sich seit einigen Jahren sehr erfolgreich für diesen lange Zeit vergessenen Schostakowitsch-Freund ein, der nach einer abenteuerlichen Flucht vor den in Polen einmarschierten Nazis schliesslich in Moskau ein Komponistenleben im Abseits führte und erst nach der Aufführung seiner Oper «Die Passagierin» bei den Bregenzer Festspielen 2010 wieder entdeckt wurde.
Kein Wurf also, diese Duo-Sonate. Nicht weil Kremer nicht all seine geigerischen Erfahrungen, seine herausragende klangliche Sensibilität und die noch immer sattelfeste technische Souveränität in die Interpretation gesteckt hätte. Aber Weinberg konnte auch anders, wie Kremer im Concertino für Geige und Streicher bewies. Von Martinů gäbe es ein Konzertstück für dieselbe Besetzung, aber da ist Robert Kolinsky, der Intendant der Festtage, eisern: Martinůs Oeuvre ist zu reich und vielseitig, als dass man ein Werk wiederholen würde, auch nicht nach 25 Jahren. So kam das Concertino von Weinberg ins Programm, und siehe da: muntere neoklassizistische Spritzigkeit, einnehmende Melodik, viel dankbares Entfaltungspotenzial für die Sologeige. Kremer, generös, liess es nicht dabei bewenden, sondern brachte zusätzlich das erst vor wenigen Monaten uraufgeführte Konzert seines lettischen Landsmanns Andris Dzenitis in Basel zur Schweizerischen Erstaufführung. Ein Werk, das reizvoll spielt mit den Klangschichtungen der Streichinstrumente und überaus sprechende, oft kontrastierende abrupte Gesten der Sologeige dagegen setzt.
Martinů schliesslich erklang auch im Eröffnungskonzert der Martinů-Festtage, die noch bis 24. November dauern und neben einem spektakulären Chor-Konzert in der Basler Synagoge weitere Chormusik, Jazz, Film oder ein Familienkonzert bieten: Das überaus reizvolle, witzige, spritzige, jugendlich draufgängerische Streichsextett – 1923 in Paris entstanden – das Martinů 30 Jahre später für Paul Sachers Orchester arrangierte. Die Kremerata baltica mit ihrem nach wie vor sehr transparenten und homogenen Klangbild unter der Leitung des aserbeidschanischen Dirigenten Fuad Ibrahimov verschenkte nichts von der motorischen Energie dieses hinreissenden Jugendwerks. Noch eine Spur packender allerdings klangen die tänzerische-jazzigen «Etudes rhythmiques», die Rudolf Baumgartner für Streicher arrangiert hatte. Die Quelle: Martinůs Etüden für Cello und Klavier. Musik für bloss zwei Instrumente!
Reinmar Wagner
Lahav Shani und Vilde Frang in Gstaad
Schon in Verbier hatte er beste Werbung für sich gemacht, in Gstaad nun gastierte das Dirigenten-Wunderkind Lahav Shani mit dem Orchester aus Rotterdam, das er seit letzter Saison als Chef leitet.Er wird gefeiert, wo immer er auftritt, der 30jährige Israeli Lahav Shani. Neben Rotterdam, wo so illustre Namen wie David Zinman, Yannick Nézet-Séguin oder Valery Gergiev seine Vorgänger waren, wird er ab 2020 als Nachfolger von Zubin Mehta auch das Israel Philharmonic Orchestra als Chefdirigent leiten. Und dass zu Recht die Lorbeeren verdient, mit denen man ihn schon in jungen Jahren schmückt, zeigte sein Auftritt beim Menuhin Festival. Er und sein holländisches Orchester verstecken sie sich kein bisschen, sondern hatten für das Festivalzelt im Saanenland sehr schwieriges Orchesterrepertoire ausgewählt: Strawinskys witzige, lautmalerische, ständig Farben und Stimmungen wechselnde russische Heldenlegende «Petruschka», eine bunte Collage aus Schlager, Volksmusik und sinfonischen Farben – Strawinskys erste wirklich persönliche Komposition. Und Ravels Abgesang auf den Walzer «La Valse» eine Orchester-Etüde, genial instrumentiert, sehr heikel in den ständigen Tempowechseln.
Lahav Shani aber hatte seine beiden Schlachtrösser bestens im Griff. Beide dirigierte er auswendig und war doch enorm präsent bei den Einsätzen, wusste genau, in welchem Moment er wem was zeigen musste und liess seinen versierten Musikern ansonsten freie Hand. Dabei bewies er sowohl bei Strawinsky wie Ravel sehr viel Freude an den schrillen und dunklen Klangfarben, immer wieder liess er die Bässe aus dem Orchesterklang herausragen oder setzte die Akzente von Fagott und Bassklarinette so grotesk kurz, dass ihm die Freude an diesen handfesten Kontrasten förmlich anzusehen war. Aber er konnte seine Rotterdamer Streicher auch singen lassen, wie ein schönes, von einem warmen, runden Streicherklang durchs ganze Orchester geführte Crescendo in der Zugabe, Ravels Stück «Ma Mère l’Oye», bewies.
Andere Eigenschaften, vor allem leise, aber doch stets intensive Töne, waren von Dirigenten und Orchestermusikern im Violinkonzert von Max Bruch gefragt, das die norwegische Geigerin Vilde Frang mit sehr viel Feingefühl und einer breiten Palette an immer wieder auch fahlen, dunklen und versonnenen Klangfarben spielte. Eine Vielschichtigkeit, die sich auch in den agogischen Details und in den Möglichkeiten der verschiedenen Vibrato-Intensitäten fortsetzte. Im Finale kam aber auch das ungarische Temperament keineswegs zu kurz, Vilde Frang verschenkte die Virtuosen-Attitüde dieses Themas keineswegs. Bemerkenswert auch ihre Zugabe: Haydns Version der «Kaiserhymne» für zwei Violinen arrangiert für eine einzige Geige: Eine hübsche Studie kontrapunktischen Doppelgriffspiels.
Reinmar Wagner
Chailly wählte Rachmaninow zur Eröffnung des Lucerne Festivals
Mit einem reinen Rachmaninow-Programm eröffnete Riccardo Chailly am Freitag das diesjährige Lucerne Festival. Denis Matsuev war der Solist im berühmten dritten Klavierkonzert. Chailly an der Spitze des Festivalorchesters leitete danach die dritte Sinfonie, die ganz in der Nähe komponiert worden war.
Es ist ein Monument unter den Klavierkonzerten, das dritte von Rachmaninow. Nicht erst seit der etwas fragwürdigen Story um David Helfgott, der diesem Konzert halb wahnsinnig, halb genial begegnete, gilt es als die Knacknuss unter den Klavierkonzerten, obwohl die wirklich stupenden Virtuosen unter den Pianisten wie etwa Marc-André Hamelin mit sehr guten Argumenten belegen können, dass andere Konzerte noch weit kniffliger zu spielen sind. Aber die Legende lebt, «Rach3» gilt als Pièce de Résistence und als Prüfstein für jeden Pianisten. Um Denis Matsuev allerdings musste man nicht wirklich fürchten, der 1975 im sibirischen Irkutsk geborene Pianist hat wiederholt bewiesen, dass er nicht so schnell vor vollgriffigen Akkordkaskaden und ultraschnellen Läufen quer über alle Tasten zurück schrecken würde.
Vielmehr haftete ihm der Ruf an, ein etwas brachialer Tastendonnerer zu sein, der mit dem pianistischen Zweihänder eher als mit subtilen Klaviergirlanden sein Publium einzunehmen suchte. So gesehen, war es sehr überraschend, in diesem Konzert einen Denis Matsuev zu erleben, der zwar nichts verschenkte von den brillanten Möglichkeiten und Extrovertiertheiten, die ihm dieses natürlich auf Rachmaninows eigene Fähigkeiten zugeschnittene Konzert bietet. Der sich aber überraschend konsequent zurück nehmen konnte, der immer wieder unerwartet Transparenz im Gewebe der spätromantisch dichten Harmonien suchte und mit rhythmischer Klarheit und dezidierten Akzenten deutlicher als üblich die Strukturen heraus arbeitete, die sonst oft im Gewühl effektvoll aufgeladener zehnfingriger Virtuosen-Akrobatik untergehen. Und wie subtil er zu spielen in der Lage ist, zeigte er in der wunderschön ausgespielten Zugabe, Rachmaninows Etude-Tableaux in a-Moll op. 39/2, der er fast schon Debussy-mässige Farben zu geben imstande war.
Es mag auch an Riccardo Chailly gelegen haben, dass dieser Denis Matsuev wie ein umgekehrter Handschuh zu spielen schien. Chailly hat mittlerweile seine eigenen Klangfarben mit dem Luzerner Festivalorchester entwickelt. Obwohl an entscheidenen Positionen – Soloflöte: Jacques Zoon, Solotrompete: Reinhod Friedrich und vielen anderen – noch immer die Musiker aus Abbados legendären Zeiten spielen, ist die Ästhetik deutlich verschieden geworden. Noch immer herrscht viel Klarheit und Transparenz, noch immer setzen die handverlesenen Solobläser viel sprechende, aber nicht vorlaute Akzente, aber insgesamt prägt ein anderer Ton diesen Orchesterklang, der vor allem in den Streichern auch das Süsse, bisweilen Üppige und bei aller Eleganz durchaus geniesserisch-Süffige nicht negiert.
Paradigmatisch zu hören war das in der Orchesterfassung der berühmten «Vocalise», aber auch die dritte Sinfonie, die Rachmaninow 1935 nur ein paar Kilometer von Luzern über den Vierwaldstättersee in seiner Villa in Hertenstein bei Weggis komponierte, lebte stark von diesem klanglichen Handschrift Chaillys, der bei aller Freude an klanglicher Delikatesse aber die Rubato-Tendenzen im Zaum hielt und stets auf rhythmischer Klarheit und bei aller vielschichtigen Klangfarbenmalerei auf Transparenz bestand.
Reinmar Wagner
Schuberts Grosse C-Dur-Sinfonie mit Mario Venzago in Bern
Bevor der Berner Konzertsaal in frischem Glanz für die neue Saison erstrahlt, spielten Mario Venzago und das Berner Sinfonieorchester im Stadttheater Schuberts C-Dur-Sinfonie und zusammen mit der Mezzosopranistin Claudia Mahnke zwei Raritäten für Orchester und Singstimme.

Viele Plätze sind leer. Nicht im Zuschauerraum, aber auf dem Podium. Es sieht seltsam aus, bis man sich darüber klar wird: Wer fehlt, sind die Frauen. Es ist Frauenstreik-Tag. Und tatsächlich kommt Mario Venzago aufs Podium, auch ohne die Solistin, die deutsche Mezzosopranistin Claudia Mahnke. Um gleich zu beruhigen: Es werde nicht wirklich gestreikt heute, schliesslich verdienten die Frauen im Sinfonieorchester schon seit vielen Jahren gleich viel wie ihre männlichen Kollegen und seien diesen gleich gestellt auch bei den Anstellungsbedingungen. Sogar die Vorspiele für eine freie Stelle fänden hinter einem Vorhang statt und man lege sogar einen Teppich hin, damit man sicher keine hohen Absätze stöckeln hören würde. Für Orchestermusiker mag die Behauptung stimmen, wenn es um die Dirigenten oder auch die Intendanten geht, dann müssten wir wohl noch einmal darüber reden.
Aber genug Solidarität mit der violetten Welle draussen auf dem Bundesplatz: Die Frauen holten sich ihren Sonderapplaus und nahmen brav an ihren Pulten Platz, ebenso wie die Solistin, die ihren profunde, wandlungsfähigen, Bayreuth-gestählten Mezzosopran sogleich von seiner besten Seite zeigen konnte in Regers selten zu hörender Hölderlin-Vertonung «An die Hoffnung». Claudia Mahnke sang mit angenehm timbrierter, runder Stimme, legte verschiedene Farbschattierungen in ihre Linien, wägte sorgfältig die sprachlichen Nuancen des Textes ab. Ihre stimmlichen Reserven erlaubten ihr zudem ein Singen ohne jedes Forcieren, dies auch weil Venzago das Orchester zu durchsichtigem Spiel animierte und die Dynamik immer sehr wach und reaktionsschnell in Piano-Regionen zurück führte, jedoch ohne jemals die aufblühenden Kantilenen in ihrer Entfaltung zu behindern.
Nach dieser ausgesprochenen Repertoire-Rarität folgte mit der «Alt-Rhapsodie» von Brahms ein etwas bekannteres Stück, das allerdings auch nicht sehr oft zu hören ist, weil der Männerchor, der von der Altistin die Führung übernimmt, für die paar Einsatz-Minuten einfach eine luxuriöse Besetzung ist. Das Berner Konzert aber zeigte, dass es sich lohnt: Schön der Dialog zwischen der Solistin und den Chorherren (Berner Theaterchor), reizvoll das vielschichtige, auch kontrapunktisch reichhaltige Wechselspiel zwischen Gesang und den Orchesterinstrumenten.
Und dann nach der Pause eines der Monumente des sinfonischen Repertoires: die grosse C-Dur-Sinfonie von Schubert, diejenige der Schumann «himmlische Längen» attestiert hatte, die aber unter Venzagos Händen und im wachen Spiel des Berner Sinfonieorchesters in keinem Moment in Langweile abzugleiten drohte, sondern hoch spannend blieb im stets vielschichtigen Herausarbeiten der Motive und im munteren Vorandrängen der von Venzago oft etwas rascher als gewohnt genommenen Tempi.
Reinmar Wagner
Das Solsberg-Festival eröffnet mit einer Uraufführung
Seit 14 Jahren wird das Kloster Olsberg in den Jurahügeln ob Rheinfelden zur Sommersonnenwende zum Zentrum des kleinen, feinen «Solsberg»-Festivals von Sol Gabetta. Beim Eröffnungskonzert stand aber weniger die Cellistin als ihre Musikerfreundin Patricia Kopatchinskaja im Zentrum.

Das Eröffnungskonzert – doppelt geführt in St. Peter bei Freiburg und in der Stadtkirche Rheinfelden – konnte sogar mit einer Uraufführung locken: Der noch junge spanische, in London unter anderem bei Thomas Adès ausgebildete Komponist Francisco Coll schrieb im Auftrag der Camerata Bern ein Doppelkonzert für Patricia Kopatchinskaja und Sol Gabetta. Es war das schwächste Stück des Abends. Was zweierlei heissen kann, dass es tatsächlich schwach war, oder dass die anderen sehr stark waren. Das zweite trifft zu: Strawinskys «Concerto in Re» ist ein fulminantes Streicherstück mit vielen Farben, hoch virtuosen solistischen Einlagen, mit viel witzigen rhythmischen Ideen und neckischen Verweisen auf das barocke Concerto grosso. Und die Camerata Bern, bei der die Chefin Patricia Kopatchinskaja vorerst am hinteren Pult stand, legte sich mit Vehemenz und viel Spielfreude mächtig ins Zeug für diesen Klassiker des Streichorchester-Repertoires.
Noch eine ganze Stufe lebhafter und extrovertierter ist das 1965 komponierte «Concerto per corde» vom Argentinier Alberto Ginastera, das mit fast schon missionarischem Eifer und noch gesteigerten technischen Herausforderungen das Streichorchester fordert. Kein Problem für die Camerata-Musiker, auch wenn die solistische Bravour bald ad absurdum geführt wird und etwa für den Kontrabass Linien gefragt sind, die das Instrument an die Grenzen seiner Möglichkeiten führen und zusehends ausfransen und verhauchen.
Nicht minder stark begleiteten die Berner ihre Leiterin Patricia Kopatchinskaja im «kleinen» Violinkonzert von Mendelssohn, ein erst 1951 wieder-entdecktes früheres Werk des 13jährigen, das einmal mehr die ausserordentliche Begabung dieses Wunderkinds demonstriert. Und unter den Händen von Patricia Kopatchinskaja zu einer Lehrstunde musikalischen Variantenreichtums wurde: Rasante Tempi, die von der Solistin aber immer wieder vehement ausgebremst wurden, eine vielfältige Palette an Klangfarben vom üppigen Gesang bis zum geigenden Flüstern, mit sehr bewusstem Einsatz von Vibrato und im Finale mit der Spielfreude und rhythmischen Freiheiten einer Zigeunergeigerin.
Viel musikalische Substanz also, kein leichter Vergleich für ein neues Werk. Der 1985 in Valencia geborene Francisco Coll leitete selbst die Uraufführung seines Doppelkonzerts für Geige, Cello und Kammerorchester. Vier Sätze, die geprägt sind von grossen Kontrasten zwischen sehr eruptiven, wilden Passagen und weit gespannten Kantilenen, von reizvollen klanglichen Schichtungen zwischen Streichern und der Handvoll Bläser, von Akzenten des Klaviers und vor allem von mannigfaltige Einwürfen des stark beschäftigten Schlagwerks. Aber wenn man ein Konzert für solche Solistinnen schreiben kann, verschenkt man schon ziemlich grosses Potenzial, wenn die Geige fast nur in den höchsten Lagen lange Töne spielt und ihre Ausbrüche in der allgemeinen Ereignisdichte meist nur eine Verdoppelung sind von dem, was die anderen – insbesondere das sehr präsente Schlagwerk – eh schon sagen. Dasselbe gilt für den Solopart des Cellos, der Sol Gabetta immerhin ausgiebig Gelegenheit bot, ihren beneidenswert schönen Cello-Klang auszubreiten.
Von Sol Gabetta hat man also noch nicht sehr viel Nachhaltiges gehört an diesem Abend. Das wird sich ändern im Lauf des Festivals, das bis 30. Juni dauert und die Cellistin im Streichtrio mit Veronika Hagen und Veronika Eberle und im Klaviertrio mit Vilde Frang und Bertrand Chamayou in Aktion zeigen wird. Weitere Höhepunkte sind ein Rezital von Hélène Grimaud und der Auftritt des herausragenden lettischen Radio-Chors.
Reinmar Wagner
Magier und Zauberlehrlinge – die ICMA-Gala in Luzern

Es ist ein bisschen wie bei den Oscars: Man bedankt sich beim Team, bei den Lehrern und Vorbildern, bei den Eltern und Förderern. Und diese kurzen Worte sind mal eher spontan und handgestrickt wie beim russischen Energiebündel Maxim Emelyanychev, der für seine Mozart-Hammerklavier-Einspielungen ausgezeichnet wurde und dafür zwischen zwei Probentagen extra in die Schweiz flog. Sie sind manchmal routiniert wie bei Vertretern von Orchestern oder CD-Labels, sie sind manchmal bescheiden, wie bei Javier Perianes (Artist of the year), der bloss meinte, seine Sprache sei die Musik, mit Worten könne er weit weniger gut umgehen als mit dem Grieg-Klavierkonzert, dessen ersten Satz er im anschliessenden Galakonzert mit dem Luzerner Sinfonieorchester dann fulminant in den Saal zauberte.
Sie kann aber auch wirklich interessant sein, eine solche kurze Dankesrede. Leif Segerstam zum Beispiel führte singend und gestikulierend in wenigen Minuten tief in die Gefühls- und Klangwelten von Jean Sibelius ein. Und als er fast am Ende des Galakonzerts das Podium im KKL mit einiger Mühe erklommen hatte, erwies er sich als ein suggestiver Magier am Dirigentenpult: Schon die ersten Pizzicati der Bässe in der Valse triste von Sibelius erhielten unmittelbare Intensität, und wie Segerstam allein die Streicher-Einleitung modellierte, verwandelte das zuvor solide, aber nicht wirklich überragend spielende Luzerner Sinfonieorchester mit einem Schlag in das Instrument eines veritablen Zauberers.
Lawrence Foster, der die anderen Stücke an diesem Abend engagiert und anfeuernd dirigierte, liess es sich nicht nehmen, in der ersten Reihe Platz zu nehmen und Segerstams Sibelius zuzuhören. Und nachher zu verkünden, dass er dieses Stück, das er oft dirigiert habe, sicher nie mehr anrühren würde. Zu einem weiteren Höhepunkt im Preisträger-Konzert wurde auch der Auftritt des 74jährigen Nelson Freire, der von der ICMA für sein Lebenswerk geehrt wurde und das Publikum bezauberte mit der Chopin-Barcarolle, die nichts Bedächtiges hatte, sondern charmant perlend eine gut gelaunte jugendliche Freude an einer romantischen Bootsfahrt zelebrierte. Meisterhaft gleich danach, wie Tabea Zimmermann und Dénes Várjon Schumanns Geheimnissen in den «Märchenbildern» nachspürten. Schön auch zu hören, wie ein Geigenton in ganz vielen Facetten selbst im Finale des Doppelkonzerts von Brahms modelliert werden kann, das Chouchane Siranossian und der junge deutsche Cellist Christoph Heesch zusammen interpretierten.
Überhaupt die Jugend: Erst 15 ist Eva Gevorgyan aus Russland, die mit einem «Discovery Award» ausgezeichnet wurde, und das Finale des zweiten Klavierkonzerts von Saint-Saëns mit der Kraft einer Erwachsenen in den Flügel hämmerte: Technisch makellos, aber noch ein bisschen sehr auf sich selber konzentriert. Anders der amerikanisch-holländische Geiger Stephen Waarts, der mit interessanten Ideen und reizvollem Klangfarbenvarianten selbst in einem viel zelebrierten Virtuosenstück wie Sarasates «Carmen-Fantasie» aufwarten konnte. Und auch der Fagottist Matko Smolcic (Young Artist of the Year) bewies in zwei Sätzen aus Webers Konzert eindrücklich die selten zu hörenden klanglichen Reize seines Instruments.
Die ICMA-Awards wurden zum neunten Mal vergeben. Wertvoll ist diese Auszeichnung vor allem dadurch, dass eine unabhängige Fachjury von 19 Kultur-Medien aus ganz Europa ihn vergibt. Für die Schweiz ist «Musik & Theater» darin vertreten, aus Deutschland, Italien, Spanien, England, Polen, Russland oder Luxemburg kommen Zeitschriften und Radio-Stationen und wählen in mittlerweile 24 Kategorien die herausragendsten Produktionen einer Saison. Jedes Jahr ist eine andere Stadt, ein anderes Orchester Gastgeber der Preisverleihung und des Preisträger-Konzerts. Diesmal fand die Preisverleihung zum ersten Mal in der Schweiz statt, Gastgeber war das Luzerner Sinfonieorchester im Konzertsaal des KKL.
Reinmar Wagner
Die Kraft der leisen Töne
Daniel Barenboim spielt Beethoven in Basel – eine Demonstration! Erstaunlich, welch versierter, sensibler und virtuoser Pianist er auch mit 76 Jahren noch ist. Eine Demonstration an intelligenter Programmgestaltung zudem: Drei wenig gespielte unter den 32 Sonaten, plus «Waldstein», ein Monument im Oeuvre Beethovens.

Zum Eingang die Es-Dur-Sonate op.27 Nr. 1, die – wie ihre berühmtere Schwester, die «Mondscheinsonate» – vom Geist des Improvisatorischen lebt. Beethoven gönnt uns dabei einen kleinen Blick in einen herrschaftlichen Salon oder auch in einen besonders inspirierten Moment ganz allein an seinem Klavier. Denn das geht manchmal ein bisschen vergessen in der heutigen Zeit, in der Autographe und Partituren fast wie Heiligtümer behandelt werden: Beethoven war ein genialer Improvisator, zu seiner Zeit entstand Klaviermusik oft noch aus dem Stegreif.
So spielt sie auch Daniel Barenboim: frei fliessend, fast wie aus dem Metrum gefallen, immer wieder stockend, unerwartet beschleunigend, variantenreich. Gleich das erste zentrale Motiv, eine aufsteigende Skala mit einem Akzent auf dem letzten Ton, das sehr oft wiederkehrt, klang kein einziges Mal gleich wie davor: Mal mehr Ritardando, der Akzent ganz unterschiedlich in der Gewichtung, die kleine Pause davor kaum spürbar – oder auch irritierend gedehnt. Und immer wieder: Leise, sanfter, noch leiser, noch sanfter – wirklich meisterhaft, wie Daniel Barenboim mit den Anschlagsnuancen umzugehen versteht.
Es gibt Magier des Klaviers, es gibt charmante Salonlöwen, es gibt charismatische Showstars und martialische Tastendonnerer. Barenboim ist nichts davon. Sein Charisma versteckt sich in den musikalischen Details, seine Magie äussert sich in der Nuancierung seines Anschlags. Barenboim ist ein intellektueller Pianist. Und ein Aufklärer. Nicht nur weil er unermüdlich als kulturpolitischer Botschafter für Versöhnung zwischen Israel und Palästina unterwegs ist (verdienstvoll genug), nicht weil er um seine humanistische Gesinnung je auch nur den Hauch eines Zweifels gelassen hätte. So tickt sein Geist, und so tickt er auch als Musiker: Das Lichte, Luzide, Klare und Reflektierte sind der Kern seiner Botschaften. So spielt er Beethoven.
Dennoch hatte sein Spiel nie den Hauch des Demonstrativen oder des Extremen, schon gar nicht in der «Waldstein»-Sonate: Auch sie oft sehr leise und verinnerlicht, sehr vielseitig in der Gestaltung der oft wiederkehrenden Motive, aber kontrastierend stark auch in den Momenten, in denen diese 76jährigen Hände überraschend kraftvolle Wucht entwickeln oder zu unwiderstehlich perlenden Koloraturen ansetzen. – Keine Zugabe, dafür war dem Maestro die standing ovation dann wohl doch zu wenig spontan.
Reinmar Wagner
Martin Fröst begeistert Basel

Sie weint und schreit und schluchzt, die Klarinette von Martin Fröst, sie jubelt und hebt ab zu atemberaubenden Skalenläufen und virtuosen Girlanden, wenn der schwedische Klarinettenzauberer in seiner Klezmer-Zugabe über die Bühne tänzelt wie ein Schlangenbeschwörer.
Diese musikantisch-virtuose Tour de Force stammt von Frösts jüngerem Bruder Göran und gehört – inklusive des T.S. Eliot-Zitats über Zeit und Zukunft, Vergangenheit und Vergänglichkeit, das Fröst in lupenreinem Deutsch vortrug – zu «Retrotopia», einem jener «komponierten» Konzertprogramme, mit denen Martin Fröst unterdessen vielerorts für Aufsehen gesorgt hat: Kombinationen ganz verschiedener Musikstile aus allen Epochen, verbunden mit Texten, theatralischen Elementen und neuen Technologien, eine Art «Gesamtkunstwerk», mit dem der schwedische Klarinettist eingefahrenen Hörgewohnheiten entgegen wirken will.
In Basel ist ihm das fulminant gelungen, seine Klezmer-Zugabe (die auch das Orchester mit einbezog) brachte das Publikum im Musical-Theater zum Kochen. Schon davor aber, in Mozarts zu Recht berühmtem Klarinettenkonzert, bewies Fröst die Vielseitigkeit seines Instruments – auf der etwas grösseren und tieferen Bassettklarinette für die Mozart dieses Werk komponierte. Selbst im manchmal fast mythisch verklärten Adagio zelebrierte er nicht einfach die pure Schönheit von Klang und Linie, sondern fand immer wieder agogische Feinzeichnungen und vielfältige dynamische Nuancen.
Solches Musizieren liegt exakt auf der Linie von Ivor Bolton, Chefdirigent des Basler Sinfonieorchesters, der Mozart mit ebenso wacher Dynamik und klangfarblicher Vielseitigkeit begleitete. Tugenden, die auch der «Symphonie fantastique» danach sehr zum Vorteil gereichten und den genialen Instrumentator Berlioz im besten Licht erscheinen liessen: Laut und massiv, mit stählernem Blech und manchmal brachialer Unerbittlichkeit da, wo Berlioz das vorgesehen hat, aber ebenso fein, leise und durchsichtig, oft nachdenklich und verschattet, manchmal schier schon impressionistisch in den Träumereien oder den ländlichen Nachtszenen dieser sinfonischen Dichtung.
Wer Martin Fröst in Basel verpasst hat, braucht nicht allzu traurig zu sein: Er kommt schon im März wieder auf Schweizer Tournee, diesmal mit dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra unter Sakari Oramo in der Kulturprozent-Classics-Reihe mit Konzerten in Zürich (20. März), Genf (21. März) und Luzern (22. März). Dort spielt er – auch wieder Mozart, was ihm aber niemals verleide, wie er im Interview bekräftigte: So finde er doch jedes Mal wieder neue Facetten an diesem Werk, das er nun doch in- und auswendig kennen würde. Das ganze Interview – nicht nur über Mozart, sondern auch über Frösts Konzert-Konzepte und seine manchmal überraschenden Ansichten zu traditionellen Werten wie etwa die Langsamkeit – lesen Sie in der März-Ausgabe von «Musik&Theater».
Reinmar Wagner
Betrug bei Olympia

Betrügen bei den Olympischen Spielen, eine moderne Idee? Weit gefehlt, schon in der Antike soll solches vorgekommen sein. Behauptet jedenfalls Metastasio, der Star-Librettist des Spätbarock, der eine Episode, die vom antiken Geschichtsschreiber Herodot überliefert wurde, kräftig ausschmückte: König Clistene hat als Preis für den Sieger der Olympischen Spiele seine schöne Tochter Aristea ausgesetzt. Licida, ein kretischer Prinz, ist eigentlich mit Argene verlobt, hat sich aber auf den ersten Blick in die Prinzessin verliebt. Dummerweise ist er aber derart unsportlich, dass er keine Chance auf den Sieg sieht und deshalb seinen Freund Megacle, dem er einst das Leben rettete, bittet, in seinem Namen zu anzutreten. Megacle willigt ein. Als er aber vom Siegespreis erfährt, fällt er aus allen Wolken, denn er und die Prinzessin sind ein heimliches Liebespaar.
Stoff also für viele grosse emotionale Klage-Arien, zumal natürlich das Versteckspiel und die unglücklichen Liebes-Verwirrungen von Metastasio noch weiter auf die Spitze getrieben werden: ein Orakelspruch, ein ausgesetzter Prinz, Selbstmordversuche, ein Attentat auf den König, Todesurteile – und natürlich im letzten Moment die Auflösung der Verwicklungen und zwei glückliche Paare, die Doppelhochzeit feiern dürfen. Für Antonio Caldara und die Wiener Hofoper war 1733 das Libretto entstanden, aber fast jeder, der damals als Komponist etwas gelten wollte, hat sich daran versucht, was auch ein Schlaglicht wirft auf die unablässig ratternde Opernmaschinerie jener Zeit, in der nur etwas galt, was neu war – oder mindestens neu verpackt. So hat auch Antonio Vivaldi dieses Libretto in Musik gesetzt: Bloss ein halbes Jahr nach Caldara brachte er seine Version in Venedig heraus, und Pergolesis berühmt gewordene Vertonung kam in Rom auch schon 1734 auf die Bühne – der Beginn einer Reihe von über 70 (!) Vertonungen dieses Librettos.
Vivaldi ist ein musikalisches Zentrum des Basler Barockorchesters «La Cetra» unter seinem Leiter Andrea Marcon. Zur Eröffnung ihrer Saison spielten sie in der Basler Theodorskirche eine konzertante Version dieser Oper. Souverän, aber völlig unaufgeregt, stets lebendig pulsierend und schlüssig in den Tempi steuerte Marcon durch die Partitur und legte so eine stabile Basis für ein siebenköpfiges Sänger-Ensemble, in dem sich souveräne Stimmbeherrschung paarte mit Stilbewusstsein und der Freude an der Vokalartistik von Vivaldis Opernmusik. Solch barockes Stimmentheater zeigte sich besonders schön im fulminanten Koloraturfeuerwerk, das Anna Aglatova abbrannte oder dem Spiel mit den aufregenden Stimmfarben von ganz hohen, ganz schrillen oder auch ganz tiefen Tönen, mit denen sich etwa die beiden Countertenöre Carlos Mena und Kangmin Justin Kim oder der Bass José Coca Loza auszeichneten.
Reinmar Wagner