«Die Übermacht der Natur zum Ausdruck bringen»
Fabian Müller, ich habe damals in Interlaken die Uraufführung Ihres Orchesterstücks miterlebt. Ist diese Musik Keimzelle der Oper, oder haben Sie das Thema ganz von Neuem gedacht?
Fabian Müller: Die Idee zur Oper kam mir bereits bei der Arbeit an der sinfonischen Skizze 2004. Nach einem ersten gescheiterten Versuch kam dann aber erst mit dem inspirierenden Libretto von Tim Krohn das Projekt richtig ins Rollen. Musikalische Motive der Skizze waren die Ausgangslage, und daraus habe ich die Musik zur Oper frei weiterentwickelt.

Und was passiert musikalisch, wenn vor dem Hintergrund dieser Natur-Musik die realen Personen der ersten erfolgreichen Besteigung mit ihren Ängsten und Hoffnungen agieren und singen? Was erwartet den Zuhörer: Eher ein dramatisches Berg-Abenteuer oder Innenwelten von kleinen Menschen angesichts der Grösse und vielleicht auch unerbittlichen Gleichgültigkeit der Natur? Oder auch beides?
Fabian Müller: Es war eine Herausforderung die richtige Form zu finden. Der Gesang ist ganz nah an der Sprachmelodie orientiert. Gesprochenes und Gesungenes gehen ständig fliessend ineinander über. Es ist über weite Strecken eine dramatische Musik, mit der ich versucht habe, die Übermacht der Natur zum Ausdruck zu bringen, aber auch die grosse Bandbreite vom anfänglichen Übermut bis zum Scheitern und verzweifelten Überlebenskampf. Auch die Ambivalenz der Protagonisten mit ihren inneren und äusseren Konflikten klingt unterschwellig ständig mit.
Welche ganz banalen Limiten setzt eine konkrete Aufführung auf der Opernbühne?
Fabian Müller: Beim Komponieren dachte ich an keinerlei Limiten. Erst als es sich herausstellte, dass ich die Oper im Auftrag vom TOBS fertigstellen kann, musste ich die Orchestration dem begrenzten Platz im Orchestergraben in Biel und Solothurn etwas anpassen. Ich habe nun zwei Fassungen, eine für sinfonische Besetzung und eine für Kammerorchester. Letztere kommt nun zur Uraufführung. Diese Geschichte auf relativ kleinen Bühnen zu inszenieren, ist natürlich eine Herausforderung. Es wird einiges an Abstraktion brauchen, und da habe ich vollstes Vertrauen, dass Barbara-David Brüesch zusammen mit Bühnenbildner Alain Rappoport dies hervorragend umsetzen werden. Überhaupt ist es für mich faszinierend mitzuerleben, wie nun so viele Menschen ihr besonderes Talent einbringen und so Text und Musik lebendig werden.
Interview: Reinmar Wagner