Pferd frisst Hut. Oder umgekehrt?

Der doppelte Herbert: Grönemeyer und Fritsch katapultieren Eugène Labiches Komödie «Ein Florentiner Hut» in Basel auf das Klamauk-Niveau des 21. Jahrhunderts.

Bilder © Thomas Aurin / Theater Basel

Es war eine Affiche, die aufhorchen liess: Herbert Grönemeyer schreibt eine Oper im Auftrag des Theaters Basel. Der deutsche Popstar hatte zwar durchaus zu Beginn seiner Karriere in Bochum als Theatermusiker gearbeitet, aber seine Songs, mit denen er schliesslich berühmt wurde, bestachen eher durch ihre gut formulierten Texte und die typische Weise, mit der Grönemeyer sie gesungen hat, als durch eine avancierte Musiksprache.

So ist nun «Pferd frisst Hut» schliesslich auch heraus gekommen: Grönemeyer schrieb 16 Songs, die von Thomas Meadowcroft für grosses Orchester arrangiert wurden. Zwei instrumentale Stücke, die jeweils die beiden Teile eröffnen erweisen sich aus musikalischer Warte als das Innovativste der neuen Partitur. Die Songs sind kaum mehr als kurze und relativ einfach gestrickte Gesangsnummern, die brav verteilt fast jeder Figur auch einen Auftritt als Sänger oder Sängerin ermöglichen – was die Basler Ensemble-Mitglieder auch allesamt gut bis bravourös bewältigten. Brilliert haben vor allem Christopher Nell als von allen bis zum Umfallen Getriebener Fadinard oder Sarah Bauerett als (auch stimmlich) laszive Hutverkäuferin.

Etwas enttäuschend war die Qualität von Grönemeyers Songtexten, die weder in Versmass noch sprachlicher Originalität besonders aufgefallen sind, sondern bisweilen arg kalauernd und eher harmlos reimend nicht viel mehr sind als die Fortsetzung der Komödienhandlung auf singende Weise, und damit das stärkste Plus von Gesang im Musiktheater, die Vertiefung von emotionalen Zuständen, eher widerstandslos aus der Hand geben. Eine Oper ist «Pferd frisst Hut» also nicht geworden, auch kein Musical, sondern eher ein Theater mit eingestreuten Gesangsnummern. Das mag durchaus auch der Vorlage geschuldet sein, jener Komödie «Ein Florentinerhut», mit der der Fliessband-Schreiber Eugène Labiche 1851 den ganz grossen Durchbruch schaffte, und die seither in immer wieder neuer Gestalt ganze Generationen zum Lachen brachte – zum Beispiel auch als wirklich hinreissende Oper von Nino Rota.

Es ist schon im Original eine ziemlich verrückte, überaus schnelle und total übersteigerte Geschichte. Aber das war dieser Produktion bei weitem nicht genug. Man hat den anderen Herbert als Regisseur geholt, Herbert Fritsch, und dieser Name steht seit Jahrzehnten fast schon paradigmatisch für ein schrankenloses, lustvoll auf die Spitze getriebenes Klamauk-Theater, eine Affiche, die diesmal auch bis in die letzten Extreme voll erfüllt wurde. Das beginnt schon beim Text, der von Sabrina Zwach neu ins Deutsche übertragen wurde, aber während der Probenarbeit offenbar vielfältig kalauernd und mit Sprüchen und Versprechern gerne weit unter der Gürtellinie lustvoll ausgeschmückt und verballhornt wurde. Und natürlich wird niemals etwas einfach normal ausgesprochen, sondern jeder Satz übersteigert bis zum Geschrei – es gab etwas gar viel Geschrei – und unterlegt mit sehr gerne sehr hektischer Gestik und pausenlos hyperventilierendem Bewegungs-Theater.

Das Ensemble – der Basler Theater-Chor inklusive – bewährte sich dabei auf bewundernswerte Weise in den ausgeklügeltsten Slapstick-Variationen. Viel mehr als Türen, eine Treppe, eine Badewanne und eine rotierende Drehtüre waren an Requisiten nicht nötig, um diese turbulente, quirlige Action-Komödie in atemlosem Tempo abschnurren zu lassen. Zu lachen gab es viel, wenn auch nicht alles, was lustig gedacht war, am Ende so wirklich so ganz lustig heraus gekommen ist. Eine Glanznummer war Raphael Clamer in der Badewanne, eine andere Hubert Wild als schwäbelnder Schwiegervater. – Und ganz sicher wird es Menschen geben, die diesem klamaukigen Herbert-Tumult nicht das geringste abgewinnen können.

Reinmar Wagner

Grönemeyer / Fritsch: «Pferd frisst Hut». Theater Basel, Premiere am 4. November 2023. ML Thomas Wise, R: Herbert Fritsch, mit Christopher Nell, Hubert Wild, Florian Anderer, Gottfried Breitfuss, Raphael Cramer, Sarah Bauerett, Jasmin Etezadzadeh, Nanny Friebel, Julius Engelbach, Jonathan Fink, Cécile Roumi, Emily Dilweski.

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