«Madame Butterfly» bei den Bregenzer Festspielen
Von der Hitze in die Traufe: Die Festspielpremiere auf der Seebühne fiel nach der Hälfte den Gewitterfronten zum Opfer. Bis dahin sahen wir eine eher unspektakuläre Inszenierung von Andreas Homoki.

Die Gewittergötter hatten ein perfektes Timing an diesem Premierenabend am Bodensee: Pünktlich zum Auftritt des Onkels Bonzo, der Butterfly mit viel Härte und Mitleidlosigkeit an Familie, Ehre und Tradition gemahnt, fing das himmlische Feuerwerk an und entfachte ein Wetterleuchten über Friedrichshafen. Der Wind frischte auf und blähte die gigantische US-Flagge, die vorher lustlos herabgehangen hatte. Nur leider kam der Wind aus der Richtung der Gewitterstürme, womit absehbar war, dass die Premiere vielleicht nicht würde draussen zu Ende gespielt werden können. So kam es dann auch.
Damit konnte Andreas Homoki auch nicht umfassend beweisen, dass eine Oper, die wie selten eine andere fast nur auf eine einzige Person konzentriert ist, das Format für eine Inszenierung auf der grossen Seebühne besitzt. Allerdings fokussiert Puccini musikalisch je länger je mehr auf seine Titelfigur, womit schon zu vermuten wäre, dass auch eine Freiluftinszenierung sich dem nicht widersetzen könnte und diese Konzentration mit optischen und szenischen Mitteln ebenfalls mitmachen würde, wie das in Bregenz auch schon oft gelungen ist, wenn wir zum Beispiel an die «Aida» von Graham Vick denken.

Wenn man also in «Madame Butterfly» – die Bregenzer Festspiele verzichten auf das «Madama» des Originaltitels – spektakuläre Seebühnen-Aktionen inszenieren möchte, dann bleiben nur die Aufmärsche von Familie, Verwandten und Freundinnen am Anfang, dann bleiben Japonaiserien und Folklore – oder man erfindet sich etwas Eigenes und Unerwartetes. Auf all das hat Homoki weitgehend verzichtet. Seine Seebühnen-Inszenierung ist kaum zu unterscheiden von einer Arbeit für ein normales Opernhaus. Was dann doch ein bisschen wenig ist für die Tradition und die Ansprüche der Bregenzer Festspiele.
Die Bühne ist eine ins Gigantische vergrösserte Tusche-Zeichnung mit einer Gebirgslandschaft – und damit künstlerisch schon ein Miniatur-Format. Der geisterhafte Video-Auftritt des Onkel Bonzo, der sich wie ein Spuk aus dem Jenseits über diese Federzeichnung legt bleibt die einzige grosse Geste des Abends – so lange wir ihn gesehen haben. Sonst choreographiert Homoki Tänzerinnen und Statisten wie wir es von ihm aus Zürich kennen: Viel Bewegung, ohne damit grosse optische Chiffren oder eigenständige Bilder zu finden.
Interessant unter diesen besonderen Umständen, war es natürlich, die Stimmen sowohl über die Bregenzer Lautsprecheranlage wie unverstärkt im Festspielhaus zu hören. Puccini kombiniert ja sehr gerne die sängerische Linie mit parallel laufenden Instrumenten, und dafür eine runde, warme Verschmelzung hinzubekommen, das war für die Technik offenbar nicht so einfach. Die dynamischen Pegel waren sorgfältig austariert, dennoch stellte sich diese Melange nicht immer ein. Das war im Haus dann ganz anders, und vor allem die beeindruckende Bariton-Stimme von Brian Mulligan als Sharpless profitierte von diesen Umständen.
Umgekehrt lief es beim Tenor Edgaras Montvidas als Pinkerton, der auf dem See noch mit eindrücklicher Kraft und Präsenz über die Lautsprecher kam, drinnen aber dann nur noch über wenig vokales Charisma verfügte. Die Cio-Cio-San von Barno Ismatullaeva hingegen blieb stimmlich untadelig in beiden Settings und sang eine emotionale und sehr bewegende «Butterfly».
Was den Dirigenten Enrique Mazzola in jedem Repertoire auszeichnet, ist seine nie nachlassende Freude, zwar den Sängern jeden Raum zu vokalen Aus- und Höhenflügen zu genehmigen, aber sofort resolut das rhythmische Zepter wieder zu übernehmen, und den musikalischen Puls hoch zu halten. Das kommt auch Puccinis Partitur sehr zugute: Sie klingt mächtig, wo sie darf und soll, aber nie breit und ausgewalzt, wie man das auch im Seebühnen-Format nicht hören will.
Reinmar Wagner
Puccini: «Madama Butterfly». Bregenzer Seebühne, Premiere: 20. Juli 2022. ML: Enrique Mazzola, R: Andreas Homoki, mit Barno Ismatullaeva, Edgaras Montvidas, Brian Mulligan, Annalisa Stroppa, Hamida Kristofferson.