«Io senza te» bei den Thunerseespielen
Mit zwei Jahren Verspätung gab es das Peter, Sue & Marc-Musical «Io senza te» auf der Bühne des Thunersees.

Vorpremieren haben auch ihr Gutes: Unser Mond war zwar noch nicht ganz voll, aber er beleuchtete über dem Niesen und ein paar harmlosen Wölkchen stehend nett die zweite Hälfte des Seebühnen-Musicals in Thun. Der Supervollmond zwei Tage später hingegen konnte nur noch allenfalls knapp die Heimkehr des Premierenpublikums begleiten.
Ihr Schlechtes hingegen haben Vorpremieren auch: Die Tontechniker waren noch nicht so ganz auf der Höhe ihrer Aufgaben, und damit ist nicht der Mikrophon-Aussetzer zu Beginn der zweiten Hälfte gemeint, sondern die immer mal wieder noch nicht ausgeglichene Balance unter den Sängerstimmen: Manche deutlich zu stark, andere wiederum unterbelichtet. Mit Sicherheit wird sich das einpendeln, spätestens bis am 11. August. Dann gibt es nämlich wieder einen Vollmond, nicht Super, aber immerhin sollte er es, wenn das Wetter will, zum Schlussapplaus schaffen. Gespielt auf der Thuner Seebühne übrigens wird länger, bis am 27. August.
Auch an der Vorpremiere sang die Premierenbesetzung, und die konnte sich hören lassen: Anja Häseli, Andreas Ritschard und Jörg Neubauer formierten das Revival-Trio der noch immer populären ehemaligen Schweizer Pop-Band, die den dreistimmigen Gesang zum Markenzeichen gemacht hatte. Und die drei liessen allesamt nichts zu wünschen übrig, weder was Intonation, Stimmenkultur noch vokales Charisma anbelangt, bis hin zum Pièce de Résistence, einem kurzen a capella-Abschnitt in «Morning Sun», den das Trio lupenrein und souverän hinlegte.
Ein schöner Moment mit Seltenheitswert in diesem Stück, das ansonsten vor allem auffällt durch zwei Dinge: Eine grosse Angst vor der Konzentration auf eine einzelne Figur oder einen Moment der Schönheit oder der Ruhe magischer Bühnenmomente, sondern das im Gegenteil in einem permanenten Horror vacui meint, die Bühne mit ihren drei Drehbühnen ständig bevölkern zu müssen und an allen Ecken und Enden Action abzuziehen. Das ist zwar kurzweilig und entspricht wohl heutigen Sehgewohnheiten, hat aber auch etwas Atemloses und Zufälliges, das kaum in der Lage ist, nachhaltig emotionale Spuren zu hinterlassen.

Und irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass das Stück seinem ureigenen Sujet nicht so ganz wirklich vertraut, der Musik von Peter, Sue & Marc nämlich. Kaum ein Song kommt über eine Handvoll Refrain-Zeilen hinaus, und selbst «Io senza te», das als Motto immer wieder anklingt, wird möglichst jedes Mal durch ein anderes Arrangement aufgepeppt. Gekonnt gemacht, kein Zweifel. Aber mich, ganz ehrlich, hat es dazu animiert, im Internet nach den Songs dieser Schweizer Band zu suchen, und mit ein bisschen Nostalgie auch mal ein Lied von Anfang bis Ende zu hören.
Nicht vergessen zu erwähnen wollen wir neben dem souveränen Trio die satte und warme Stimme von Romeo Meyer, der mit der Ehekrise seiner Bühnenfigur Jean-Rémy die Triebfeder für die neu erfundene Story ist, mit der Domenico Blass und der Regisseur Stefan Huber versucht haben, möglichst sinnvoll die bekanntesten Melodien von Peter, Sue & Marc zu verbinden. Das Schema kennen wir von «Mamma mia» mit ABBA-Songs oder auch mit «Ich war noch niemals in New York» nach Udo Jürgens, beide auch schon erfolgreich ausprobiert auf der Thuner Seebühne.
Es funktioniert bei «Io senza te» nicht besser oder schlechter als bei diesen Vorbildern, aber das ist es auch nicht, wonach gefragt wird. Die mit aktuellen Anspielungen angereicherten Dialoge kommen offensichtlich gut an beim Publikum, und helfen mit, Sympathieträger auszumachen, und der bunte Strauss an Gags und Witzen hat keine Mühe, das schon gut gestimmte Publikum bei Laune zu halten. Kai Tietje leitete vom Keyboard aus die Vorstellung und konnte sich auf die Band und das Orchester, ebenso wie auf das grosse Sängerinnen- und Sänger-Ensemble verlassen.
Reinmar Wagner
Musical: «Io senza te» mit Musik von Peter Sue & Marc. Vorpremiere am 11. Juli 2022. Thunerseespiele. Vorstellungen bis am 27. August.