Die Rückkehr des Tonhalle-Orchesters

Nach vier Jahren in der Tonhalle «Maag», dem sehr gelungenen Interludium im Provisorium in hellem Holz und mit unwiderstehlichem Industrie-Charme, kehrt das Tonhalle-Orchester an seinen Stammplatz zurück. Der weltberühmte und akustisch herausragende Konzertsaal aus dem Jahr 1895 wurde in den letzten vier Jahren – einem mehr als geplant – umfassend saniert, renoviert und von einigen 80er-Jahre-Sünden befreit, und steht ab der kommenden Saison nicht nur dem Tonhalle-Orchester, sondern etwa auch dem Zürcher Kammerorchester und weiteren Veranstaltern wieder offen.
Das Grundgrau der Farbgebung ist natürlich geblieben, das Gold ist auch nach dem Neuanstrich noch etwas gebrochen und das Rosa der Säulen hat seine Mattheit behalten dürfen. Grösstes Plus für die Konzertbesucher ist der freigelegte Zugang auf die Terrasse mit Blick auf See und Alpen. «See you am See» heisst denn auch launig das Motto des Tonhalle-Orchesters. In der kommenden Saison, der bereits dritten unter Chefdirigent Paavo Järvi, steckt viel Aufbruchstimmung und Optimismus. Das Pandemie-Jahr scheint ist nur noch ferne Erinnerung, kein einziges Mal streute die Intendantin Ilona Schmiel auch nur leiseste Planungszweifel in die ambitionierte und eloquent präsentierte Saison-Vorschau.
Paavo Järvi liess es sich nicht nehmen, selber bei der Saison-Präsentation teilzunehmen und machte kein Hehl aus seiner Begeisterung für das renovierte Stammhaus. Bereits hat es einen Akustik-Test gegeben, und er fiel sehr zur Zufriedenheit des estnischen Dirigenten und der Orchestermusiker aus. Dunkel und warm sei sie, sagte Järvi über die Akustik, sie ertrage viel Sound, was auch nötig ist, denn zum Saison-Auftakt am 15. September plant er Mahlers gigantische dritte Sinfonie. Seine dirigentischen Leitlinien – Transparenz und klangliche Schlankheit – will er deswegen natürlich nicht verraten, aber ein solches Werk im ungewohnten Raum sei eine Herausforderung: «Ein Konzertsaal ist wie ein Instrument. Wir müssen als Orchester jetzt erst lernen, wie wir ihn bis in seine subtilsten Finessen zum Klingen bringen können.»

Auf die Sinfonien von Anton Bruckner freut sich Paavo Järvi besonders, oder auf die Musik von John Adams, die prominent im Saisonprogramm erscheint. Hélène Grimaud und Vilde Frang führen den Reigen der Solisten an, Janine Jansen, Leonidas Kavakos oder Igor Levit fahren ebenso gerne nacht Zürich, Kent Nagano, John Eliot Gardiner oder der unverwüstliche Herbert Blomstedt zieren die Liste der Gastdirigenten. Ein wichtige Rolle spielt die brandneue Orgel, die von Christian Schmitt bereits ein erstes Mal in ihren sehr leisen und sehr lauten Registern zum Klingen gebracht wurde. Er wird die weiteren Facetten dieses Instruments nächste Saison prominent demonstrieren, natürlich in der Orgelsinfonie von Saint-Saëns, aber zum Beispiel auch in einem Auftragskonzert von Guillaume Connesson.
Aufbruchstimmung verbreitet auch der neue optische Auftritt des Tonhalle-Orchesters, der mit sehr viel Farbe und neckisch gespreizten Buchstaben eine unverkrampfte optimistische Frische ausstrahlt (www.tonhalle-orchester.ch)
Reinmar Wagner