Eröffnung des erweiterten Stadtcasino Basel

Restaurierter Glanz mit einem Schuss Sinnlichkeit und Engadiner Luft: Mit Fastnacht und Alpsegen, mit Märchen-Fantasien und perkussiven Sphärenklängen wurde das durch die Architekten Herzog und De Meuron erweiterte Basler Stadtcasino eröffnet. Drei Uraufführungen, drei Reden und eine klare Antwort auf die bangste Frage: Ja, Basel hat noch immer einen der akustisch besten Musiksäle der Welt.
Die Lüftung! Schon in der heute überall üblichen «Handy-Aus»-Aufforderung über Lautsprecher zu Beginn des Konzerts, kommt in Basel unhörbar leise Lüftung vor. Kein Wunder: bisher gab es keine. Auch Christoph Gloor, der Präsident der Casino-Gesellschaft, betonte in seiner Eröffnungsrede die Qualität dieses Wunderwerks, das eine Luft in den Saal blase, die besser sei als frische Engadiner Luft.
Darüber könnte man möglicherweise streiten, nicht aber über den Erfolgsausweis der Gesellschaft, die es geschafft hat, ihr Juwel ins 21. Jahrhundert zu führen. Trotz Termin-Verzögerungen um ein Jahr hat man das Budget eingehalten: 77.5 Millionen hat der Bau gekostet, vier Jahre dauerten die Arbeiten. 38 Millionen kamen von der öffentlichen Hand, immerhin 35 hat die Casino-Gesellschaft selbst zusammen bringen können, abermals ein schönes Zeugnis für die Mäzen-Tradition in Basel.
1876 waren die ersten Töne, die im damals neuen Musiksaal erklangen, Mozarts Ouvertüre zur «Zauberflöte» gewesen. Sie machte auch jetzt den Auftakt, wach in den Klangfarben und lebendig angefeuert vom Sinfonieorchester-Chefdirigenten Ivor Bolton. Schon da war der erste Höreindruck: Die ausserordentlich gute Akustik dieses Saals hat nicht gelitten. Das war die Grundbedingung dieses Erneuerungsvorhabens. Auch im 2007 an der Urne abgelehnten wuchtigen Entwurf von Zaha Hadid wäre dieser Saal nicht angetastet worden. Das klingt einfacher als es ist: Unter dem Boden zum Beispiel wurde neu ein ganzes Kellergeschoss ausgehoben, ohne dass der teuren Halle das geringste passieren durfte. Ein neuer Fussboden wurde eingezogen, die Bestuhlung wurde komplett erneuert, die Technik auf der Bühne ebenso. Viele Eingriffe also, aber tatsächlich hat man es unter den Argus-Augen der Gralshüter von der Münchener Firma Müller-BBM geschafft, dass dieser weltberühmten Akustik kein Härchen gekrümmt wurde.
Ein bisschen heller sei sie geworden, sagt man bei den Experten, die Höhen seien brillanter. Das kann man sicher an den Messgeräten ablesen. Für den hörenden Eindruck und den Vergleich mit der gespeicherten Erinnerung hat sich der Klang im Stadtcasino nicht verändert. Es ist ein warmer, runder Klang, in dem sich die Farben der Orchesterinstrumente gut mischen, ohne dass sie zu sehr verwischt würden. Es ist ein Klang, der den Zuhörer umarmt, das wurde in der abschliessenden Beethoven-Sinfonie, dem Finale der Fünften, deutlich. Präsent, aber nicht sezierend oder analytisch, hell und brillant, ohne an runder Wärme einzubüssen, mit einem Nachhall, in dem man sich wohl gebettet fühlt.
Das passt zur lebendigen, frischen Art, mit der Ivor Bolton «seine» Basler Musiker die Klassiker Mozart und Beethoven spielen lässt. Und die Akustik wird auch von den drei Uraufführungen von Basler Komponisten, die sich das Sinfonieorchester für diese Feier leistete, nicht überfordert. Dabei hätten die Schlagwerk-Eruptionen, die Domenico Melchiorre und Andrea Lorenzo Scartazzini teilweise entfesselten, das Potenzial zum Aufzeigen von akustischen Grenzen durchaus gehabt. Aber nichts: Kein Klirren, keine Härten, keine irritierenden Echos.
Dafür synästhetische Lichtspiele zu Melchiorres Schlagwerk-Etüden, dem Perkussionisten des Basler Sinfonieorchesters. Er ist ein Tüftler, der dem schon jetzt fast unüberschaubaren Arsenal der Schlaginstrumente gerne neu entwickelte hinzufügt. Auch für «Sphaira» erfand er eine «Klangskulptur» die eher trocken-knackige Töne von sich gab. Eruptive Orgien vom Schlagwerk gab es auch bei Scartazzinis «Salve», die tatsächlich an die militärische Bedeutung dieses Wortes denken lassen. Der freundlichere römische Gruss des doppeldeutigen Titels überbrachten subtil ausgehorchte Streicher- oder Holzbläser-Mischungen. Helena Winkelman holte acht Alphörner in verschiedenen Grössen und Stimmungen ins Casino. «Einkreisung» heisst ihr neues Stück, die Hornisten, verstärkt durch das «Hornroh-Quartet» sind im Raum verteilt. Nicht lange schwelgt Winkelman in den harmonischen Naturtönen sondern zeigt viel Lust an den dissonanten Reibungen, wenn die eben nicht gleich gestimmten Alphornklänge aufeinander treffen.
Mit der Basler Hymne und Fasnachtsmärschen spielte Rolf Liebermann gut gelaunt im «Geigy Festival Concerto» von 1958 und liess die eher farblose Rede von Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann vergessen. Die Sitze im Konzertsaal erwiesen sich im pausenlos langen Programm schon mal als eher herausfordernd: Keine Kino-Fauteuils, die Lehnen tief, die Abstände eher eng, auch das eine Konzession an die Akustik.
Die Architekten Herzog und De Meuron haben in ihrem Erweiterungsbau die klassizistischen Elemente aufgenommen und weiter gesponnen. Von aussen sind die Brüche kaum zu erkennen, selbst da wo die alten Elemente auf neue Materialien wie Glas oder Stahl treffen, suggerieren spiegelnde Oberflächen die Fortsetzung der Fassaden. Erst drinnen wird die Handschrift deutlich: traditionelle Stoffe in üppigem Rot, in Samt und Brokat reichen dem Musiksaal und seiner Entstehungszeit die Hand. Herzogs Wort «radikal» würde man dennoch dafür nicht in den Mund nehmen, da waren sich die Konzertbesucher einig. Am ehesten in den kunstvoll verdrehten Treppenhäusern, rund und rot, oder in den Toiletten: Noch runder und roter. Einen besonderen Akzent setzt das mehrstöckige Foyer mit den skulptural verfremdeten Sitzen und der wuchtigen Abdeckung.
Das ist das Terrain für den grossen Auftritt, für den Blickfang eines raffinierten Abendkleids. Viel Sinnlichkeit, strahlt dieses Foyer aus, Nischen und Nebenräume laden zum Tête-à-tête, aber Vorsicht, ganz allein ist man nicht, überall gibt es Durchblicke und Fenster. So richtig enthusiastisch war die Atmosphäre zur Eröffnung noch nicht, zur Champagnerlaune fehlte dieser: Kein Buffet, keine Pause, Masken als Mimik-Bremsen. Freundlich war man, zueinander, und zur Architektur, aufregen musste sich niemand: die Dissonanzen, die waren diesmal ausschliesslich der Musik vorbehalten
Reinmar Wagner